Freitag, 23. September 2022

Lehren aus dem 9 Euro Ticket - Warum nicht gleich ohne Fahrpreise?

 Es wird viel über einen Nachfolgetarif für das 9 Euro Ticket diskutiert. Wenn ich sehe wie unsere Politik mit Geld umgeht und wie die Wirtschaft als Grundlage der Finanzkraft unter den Kosten wankt, habe ich große Sorgen dass bald ein Kassensturz kommt und dann wegen Geldmangel nicht mal mehr der Bestand des ÖPNV gesichert werden kann.


 Aber wenn das nicht passiert, ist der fahrpreisfreie ÖPNV der volkswirtschaftlich günstigste ÖPNV, der den meisten Nutzen für alle schafft. Jeder jetzt debattierte Tarif erhöht den Anteil, den alle Steuerzahler aufbringen müssen ohne auch nur einen Kilometer fahren zu dürfen. Das heißt, jeder bezahlt 70 bis 80% der Leistung, darf aber nichts nutzen ohne Fahrkarte. Wäre es dann nicht einfacher die ganze Tarifbürokratie abzuschaffen und den ÖPNV fahrpreisfrei zu machen? Dann müssen alle nur 30 bis 20% mehr aufbringen, dürfen aber wo immer ein Zug oder Bus fährt die Autofahrt beenden und umsteigen. 
 
Der Liter Sprit kostet akut ca. 1,8 Euro. Das sind bei 5 Liter Verbrauch pro 100 km 9 Euro für ein Ausflugsziel in 50 km Entfernung  mit 5 bis  9 Personen. Beim VRS kostet das hin und zurück für eine Person 16,4 bis 23,8 Euro oder 27,1 bis 37,2 Euro für 5 Personen. Beim Umstieg aus  einem größeren Auto muss bei voller PKW-Auslastung noch mal für 4 Personen zugezahlt werden. Bei diesen Fahrpreisen bittet so mancher Freunde und Verwandte um eine Hol- oder Bringfahrt mit dem Auto.

Je besser ein ÖPNV genutzt wird umso größer ist der Nutzen für die Gesellschaft. Der ÖPNV stärkt Innenstädte und andere zentrale Orte die für viele auch gut zu Fuß und per Rad erreichbar sind, das Auto fördert eine chaotische Dezentralität, oft zu Lasten der zentralen Orte. Wer im Alter nicht mehr Autofahren kann leidet dann unter den Strukturen, die vom PKW gefördert wurden und profitiert von Strukturen die der ÖPNV stärkt. Auch wer weiter Auto fährt profitiert von freieren Straßen. Niemand  muss mehr nachdenken, ob es sich lohnt, das Auto mal stehen zu lassen, da ohne Fahrpreise die ÖPNV-Nutzung immer die preiswerteste Wahl ist. Es gibt aber viele Leute die zur Arbeit wegen dem Zeitvorteil auf vielen Verbindungen nicht auf das Auto verzichten wollen. Aber zwischendurch haben auch diese Leute Anlässe, wo die ÖPNV-Nutzung eine gute Alternative wäre, wenn da nicht die teuren Tarife wären.

 Auf vielen Strecken ließe sich sofort die Kapazität durch Doppeltraktion steigern, beim Busverkehr könnte jeder Wagen in den Spitzenzeiten einen Anhänger bekommen und so 50% mehr Platz bieten. Andere Strecken müssen ausgebaut werden. Ein Kompromiss wäre, dass der fahrpreisfreie ÖPNV überall eingeführt wird, wo es die Kapazitäten schon heute zulassen. Nur auf heute schon überlasteten Abschnitten werden noch Tarife erhoben. 

Was die Finanzierung angeht, brachte der Solidaritätszuschlag 6 Mrd. Euro mehr ein, als der ÖPNV mit Fahrkarten verdient. Der Soli hat niemanden überlastet und es wären sogar noch Mittel für den Ausbau dabei. Alle Kosten des Tarifwesens und der Schwarzfahrerverfolgung können eingespart werden. Ich kann allen empfehlen mal eine Woche Kurzurlaub in Luxemburg zu machen und dort den fahrpreisfreien ÖPNV im ganzen Land zu testen. Ein fahrpreisfreier ÖPNV ermöglicht auch dass sich Menschen mit geringen Einkommen besuchen oder dass die eine kleinere Arbeit aufnehmen, ohne dass die Fahrkarte einen Großteil des Minijob-Gehaltes auffrisst. Das könnte für viele Arbeitslose den Weg zurück in einen Beruf erleichtern.  

Wichtig wäre für eine Verkehrswende ein Ende der Maskenpflicht im ÖPNV, weil viele lieber ohne Maske Auto fahren. Vor Einführung der Maskenpflicht gab es nie einen Hotspot im ÖPNV und wenn Aerosole gefährlich sind streut die Maske die Luft auf Atemhöhe, während eine unbedeckte Nase die Luft mit Schwung nach unten bläst. Leider wird dieses Grundwissen der Anatomie und Strömungsphysik ignoriert. Wenn in Flugzeugen und Stadien keine Maskenpflicht besteht, ist es reine Willkür, diese im ÖPNV weiter einzufordern. Es würde ja niemand daran gehindert eine Maske zu tragen, wenn jemand meint, das es zu seinem Schutz ist. Wer weiß, wieviele Leute wegen der Maske auf das 9 Euro Ticket verzichtet haben und ihr ÖPNV-Abo abgegeben haben? 

Hoffentlich kommen wir so durch diesen Winter, dass dieser fahrpreisfreie ÖPNV, der für eine Verkehrswende taugt, bezahlbar bleibt. Denn auch ein Soli bringt weniger ein, wenn die Wirtschaft schwächelt oder sogar einbricht. Wenn letzteres passiert, wird der ÖPNV im zweistelligen Prozentbereich reduziert werden. 

Abs.
Felix Staratschek
Freiligrathstr. 2
 42477 Radevormwald
02195/8592

 
2021 Urlaub Luxemburg Eisenbahn Dampfzug Train 1900 Betange Dampflok.JPG

Der einzige Zug für den man in Luxemburg noch eine Fahrkarte braucht, der "Train 1900" in Petingen/Petange. 

(Das Bild kann zusammen mit dem Leserbrief veröffentlicht werden und von allen genutzt werden die für die Verkehrswende eintreten.)

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