(Verlinkung im Text von Felix Staratschek)
Redemanuskript Gabriela Schimmer-Göresz – Jahresauftakt der ÖDP München – 06.01.2015
„Ein System siegt sich zu Tode“
Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Münchner ÖDP, was ist denn das für ein Titel für den Jahresanfang, wo man doch viel lieber ein uneingeschränktes „JA zur Zukunft“ hinausrufen möchte? Wo man seine individuellen Chancen neu ausloten und auch nutzen soll?
„Ein System siegt sich zu Tode“ ist der Titel eines Buches von Lothar Mayer aus dem Jahr 1992 mit dem Untertitel „Der Kapitalismus frisst seine Kinder“. Garstige Worte an einem kirchlichen Hochfest, das schon länger nicht mehr nur den Kirchen gehört, sondern auch der Politik einen würdigen Rahmen für Rückblick und Vorausschau bietet.
Bis dato eigentlich unpolitisch bzw. im vorpolitischen Raum als Mutter zweier kleiner Kinder in Kirche und Schule ehrenamtlich tätig, erreichte mich der Inhalt des ÖDP-Flugblattes sofort. In Kombination mit dem GAU und der Hilflosigkeit der Politik, haben wir uns weiteres Info-Material besorgt und sind im Landtagswahljahr 86 Anfang Mai sofort Mitglied geworden. Der Kreisverband Memmingen wurde gegründet, die Kandidaten nominiert und der Wahlkampf organisiert. Mit viel Euphorie und der Unterstützung von Dr. Herbert Gruhl, einem der Gründer der ÖDP, sind wir die Wahl damals angegangen und mit einem Ergebnis von 0,6 % maximal enttäuscht worden.
Der Anfangsschwung war beim Kreisvorsitzenden weg und ich habe den KV 1989 übernommen. Nach 26 Jahren bin ich noch immer Kreisvorsitzende und seit knapp zwei Monaten Bundesvorsitzende der ÖDP.
Herbert Gruhl hat 1975 sein Buch „Ein Planet wird geplündert“ veröffentlicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel bedankte sich am 15. November 2010 bei Ole von Beust für dessen Arbeit als Präsidiumsmitglied und Umweltbeauftragten der CDU mit einer Ausgabe von Gruhls Bestseller.
Und der Vorsitzende der größten deutschen Umweltinitiative der Wirtschaft B.A.U.M. e.V., Prof. Dr. Maximilian Gege, nannte die Lektüre von Gruhls Werk ein "Schlüsselerlebnis" und hält es für „aktueller denn je“. http://www.baumev.de/
Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Aber wo bitte ist die adäquate politische Kehrtwende, die angemessene Reaktion? Die Plünderung des Planeten wurde nicht nur unbeirrt fortgesetzt. Durch die diskutierten Freihandelsabkommen, ob sie nun CETA, TTIP oder TISA heißen, wird bei der Plünderung noch einmal richtig aufs Gaspedal getreten. Und die Politik bzw. die Bundeskanzlerin verkauft uns dies als alternativlos. „Wenn wir es nicht machen, macht es der Chinese“ und Europa sei weg vom Fenster. (Aktion, von der ÖDP angestoßen, zum Thema: https://www.change.org/p/dr-angela-merkel-tisa-abkommen-gefaehrdet-finanzmarktregulierung )
So einfach ist das für die Mutter der markt-konformen Demokratie. Die Drecksarbeit lässt sie ihren SPD-Wirtschaftsminister Gabriel erledigen, ob bei der Energiewende oder bei den Freihandelsabkommen. Und auch Hannelore Kraft, SPD-Ministerpräsidentin in Nordrhein- Westfalen, macht sich für die dort ansässige Industrie stark und betont, dass wirtschaftliche Interessen und Arbeitsplätze Vorrang haben vor der Umwelt. „Man kann einfach nicht gleichzeitig aus der Atomenergie und der Kohle aussteigen“, so das Credo von Gabriel.
Ende November 2012 veranstaltete die Volkswagenstiftung in Hannover eine große internationale Konferenz zum vierzigsten Jahrestag der bekannten Studie „Grenzen des Wachstums“. Der Hauptautor, Dennis Meadows, hielt den Eröffnungsvortrag vor 160 Wissenschaftlern und seine Botschaft war unmissverständlich: Das Einschlagen eines nachhaltigen Pfades sei heute – anders als noch vor 40 Jahren – nicht mehr möglich. Zuviel sei seither angerichtet worden. Noch immer steige der Verbrauch von Energie und Material und wachse die Menge von Müll und Emissionen. http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums
Meadows ist in seiner Forderung eindeutig:
Die Wachstumsideologie erweist sich längst als Lebenslüge. - Heute könne es nur mehr darum gehen, die Gesellschaften resilient, d.h. widerstandsfähig für das zu machen, was mit Sicherheit auf sie zukommt: Rohstoffmangel, Extremwetterereignisse, Wohlstandsverlust und Stress aller Art. Wir brauchen ein grundlegendes Umsteuern. Einen Lebensstil des Weniger.
Der Club of Rome, eine Vereinigung von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik aus allen Regionen unserer Erde, hat einen neuen Bericht herausgegeben mit dem Titel „Der geplünderte Planet“. http://de.wikipedia.org/wiki/Club_of_Rome
Zusammengefasst heißt es: Die allmähliche Erschöpfung kostengünstiger mineralischer Bodenressourcen stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Zukunft des Wohlstands und des Wirtschaftssystems dar.
Beim Lesen dachte ich, ich bin im falschen Film. „Ein Planet wird geplündert“ kommt also fast 40 Jahre später als „Der geplünderte Planet“ in den Buchhandel - und die Politik reagiert noch immer nicht. Den von Meadows 2012 geforderten Lebensstil des „Weniger“ hatte die ÖDP bereits 30 Jahre früher, 1982 zum Leitgedanken ihres politischen Programms gemacht und seither nie verraten! https://www.youtube.com/watch?v=EkCufZ-9WWM
Am 25. Februar 2009 hatte der Chef-Redakteur der Augsburger Allgemeinen den Leitartikel verfasst mit der Frage: „Wo ist der Fachmann, der uns rettet?“ Er meinte damals, „das Ärgerlichste an der ganzen Vorhersagerei ist, dass uns die Fachleute zwar sagen, wie furchtbar alles wird, aber keiner sagt uns, wie wir aus der Krise wieder herauskommen.“
Zur Presse später noch ein paar Sätze.
Die Liste derer, die heute mit Nachdruck und Begründung darüber sprechen und schreiben, dass unendliches Wachstum in einer endlichen Welt nicht geht, wird immer länger. Da sind z.B. Harald Welzer und Claus Leggewie, der eine Professor für Politikwissenschaft und Publizist, der andere lehrt Sozialpsychologie. In ihrem Buch „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“ analysieren die Autoren die Auswirkungen der sich auftürmenden Krisen des Kapitalismus und zeigen, wie die Demokratie in Gefahr gerät, wenn sie keinen Weg aus der Leitkultur der Verschwendung findet. Neueste Veröffentlichung von Bernd Sommer und Harald Welzer: „Transformationsdesign, Wege in eine zukunfsfähige Moderne.“
Der mit „konservativ“ titulierte Gesellschaftswissenschaftler und Leiter des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Prof. Meinhard Miegel hat nach dem Buch „EXIT – Wohlstand ohne Wachstum“ nun ein weiteres Buch mit dem Titel „Epochenwende“ veröffentlicht. „Die Zeit des Wachstums im Westen ist vorbei“, sagt Miegel und appelliert an die Tugend und an die Moral.
Tugend und Moral? – Welch ein Anspruch in einer Zeit, in der Politik nur mehr Interessen dient und nicht mehr Werten, wo Politik der Ausgleich von Interessen ist und nicht die Umsetzung von Wahrheiten.
Bill McKibben, Umweltjournalist und Umweltaktivist, Autor des Buches „Das Ende der Natur“ rechnet uns vor, dass die fossile Brennstoffindustrie 2800 Gigatonnen Kohlendioxid in Form von
Gas, Kohle und Öl in ihren Büchern eingepreist habe und selbstverständlich plane, diese zu verbrennen. – Gabriel und Kraft sind dabei behilflich. – Wenn das geschehe, meint McKibben, sei das Ende des Planeten, so wie wir ihn kennen, vorgezeichnet.
Auch Ernst-Ulrich von Weizsäcker ergreift in einem Interview das Wort. „Alle Welt macht Politik, um mehr Konsum zu ermöglichen. Steuergeld wird verschwendet, damit mehr Natur verbraucht wird und das bei allen Lippenbekenntnissen zum Natur- und Umweltschutz. Das ist der helle Wahnsinn weltweit.“ http://www.deutschlandradiokultur.de/alle-welt-macht-politik-um-mehr-konsum-zu-ermoeglichen.990.de.html?dram:article_id=258169
Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wer wollte da widersprechen?
Und wieder ging ein Klima-Gipfel zu Ende, der sehr wahrscheinlich mehr CO2 ausgestoßen hat als er je einsparen wird. Es kann doch nichts Brauchbares oder Vernünftiges herauskommen, wenn die Befindlichkeit in den Chefetagen der börsennotierten Unternehmen wichtiger ist als eine verbindliche Lösung, die wirklich trägt.
Wenn es der Bundesregierung wirklich ernst wäre mit unserem Klima, dann müsste sie als allererstes Subventionen abbauen, die dem Klima schaden. Hier gibt es Handlungsbedarf! Die klima- und gesundheitsschädlichen Fördermittel beliefen sich laut einer neuen Studie des Umweltbundesamtes im Jahr 2010 – neuere Zahlen liegen nicht vor – auf 52 Milliarden Euro. 2006 lag die Zahl noch bei 42 Milliarden. 24,4 Mrd. entfallen allein auf den Verkehrssektor. Ein Beispiel ist hier die Energiesteuerbefreiung des Kerosins. 21,6 Mrd. gibt er Staat für Energiebereitstellung aus. Dabei sind die umweltschädlichen Subventionen sogar mehrfach schädlich. Erstens fallen Kosten an. Zweitens entstehen Umwelt- und Gesundheitsschäden und drittens benachteiligen sie die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien. Löst jemand diesen Widerspruch auf? Nein, ganz im Gegenteil. Junkers hat gerade eine 500 Mrd. Euro schwere EU-Wachstums-Förderung durchgesetzt, wo perverserweise die Luftfahrt gefördert werden soll und einige Länder mithilfe dieses Programms neue Atomkraftwerke bauen wollen.
Die Zahl der Klimaflüchtlinge explodiert. Die Versicherungsleistungen für die Beseitigung der Klimaschäden steigen. Es ist absehbar, dass wir immer mehr Mittel in Hilfs-, Reparatur- und Wiederaufbaumaßnahmen werden stecken müssen. Für eine grundlegende Umstellung z.B. der Energieversorgung werden die volkswirtschaftlichen Ressourcen nicht mehr ausreichen. Vieles wird sich nicht mehr reparieren lassen und eine Reihe von Problemen wird sich erst noch den Weg in unser Bewusstsein bahnen müssen.
Es geht nicht nur um ein Zuviel an CO2. Es scheint wenig bekannt, dass der neuerdings vielfach genutzte Indikator „CO2-Fußabdruck“ als Wegweiser zu einer nachhaltigen Zukunft allein nicht taugt. CO2 ist nur eine der klimawirksamen Emissionen. Zudem kommt ein Zuviel an N2O (Distickstoffmonoxid) und Methan.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht. Bernhard Suttner sagt immer: „Bei mir schüttelt der Kopf inzwischen ganz von alleine“. Mir geht’s genauso. Es gibt diskutierte Alternativen, z.B. den Green New Deal der Grünen: Mit Hightech sollen Firmen den Klimawandel bekämpfen. Doch selbst Mitglieder einer Bundestags-Enquete- Kommission warnen: Viele Verbesserungen, die es unbestritten gibt und noch geben wird, verpuffen durch erhöhten Konsum. Die Bürger müssen ihr Verhalten grundlegend ändern, das würden selbst Vertreter der wachstums-freundlichen Regierungsparteien erkennen.
Diese Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wie weit ist denn der Weg vom Kopf bis zur Hand, vom Erkennen bis zum Tun?
Die Kommissions-Mitglieder stellen die entscheidende Frage: „Lässt sich das Wirtschaftswachstum vom Ressourcen-verbrauch entkoppeln?“
Und er gibt darauf eine Antwort: Niko Peach. Er ist einer der bedeutendsten deutschen Wachstumskritiker und bei der ÖDP, auch hier in München bestens bekannt. Als Vorsitzender der Vereinigung für Ökologische Ökonomie und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates von attac genießt er einen hohen Bekanntheitsgrad und findet bei einer breiten Öffentlichkeit Gehör, bei den Parteien – außer der ÖDP – bisher nicht. http://www.voeoe.de/
Niko Peach liefert die Antwort auf die vorher gestellte Frage: „Wer heute noch Wachstum propagiert, muss an nicht weniger als zwei Entkoppelungswunder glauben, nämlich hinsichtlich knapper Ressourcen und ökologischer Schäden.“ Peach entlarvt in seiner Streitschrift „grünes“ Wachstum als Mythos. Die beiden „Königswege“ nachhaltiger Konsum und grünes Wachstum taugen nicht zur Lösung unser vielfältigen Probleme. In seinem Gegenentwurf, der Postwachstumsökonomie, fordert Peach industrielle Wertschöpfungsprozesse einzuschränken und lokale Selbstversorgungsmuster zu stärken. Diese Art zu wirtschaften wäre in seinen Augen genügsamer, aber auch stabiler und ökologisch weit verträglicher. Und sie würde viele Menschen entlasten, denen „im Hamsterrad der materiellen Selbstverwirklichung schon ganz schwindelig wird“, heißt es im Klappentext seines Buches „Befreiung vom Überfluss.“
Es sind wenige Sätze aus diesem Buch, die bei mir nachhaltig wirken:
„Wenn wir den Rückbau überzogener Ansprüche nicht selbst vornehmen, werden schicksalhafte Umstände den Job übernehmen – aber nicht mit Samthandschuhen.“
Hier können Sie Ihrer Phantasie freien Lauf lassen.
Wenn Sie damit Probleme haben, helfe ich gerne ein bisschen nach.
2011 sprach Prof. Radermacher, ein Ihnen sicher bekannter Globalisierungskritiker, Gründungsmitglied des Club of Rome, über die Zukunft der Weltwirtschaft. Er stellte im Wesentlichen zwei Alternativen vor: Balanced world mit dem Ausgleich zwischen armen und reichen Ländern, Ökologisierung der Landwirtschaft und der Wirtschaft, Ressourcenschonung etc. einerseits oder Brasilianisierung, d.h. Auseinanderdriften der Gesellschaft, kleine superreiche Oberschicht, verarmte Unterschicht, rücksichtslose Ausbeutung der Natur andererseits.“
Nach Rademacher sprach auf den Unternehmertagen der Volks- und Raiffeisenbanken in Oldenburg der Präsident des Niedersächsischen Landvolk Landesbauernverbandes Hilse. Er sagte: „Ich glaube nicht an Utopien, ich stelle mich auf die Brasilianisierung ein. Man muss dann aber auch bereit sein, sein Eigentum mit der Waffe in der Hand gegen die Unterschicht zu verteidigen.“
Teilen oder töten?
Ich überzeichne bewusst. Töten oder teilen?
Es ist richtig, auf die Straße zu gehen und der Politik die Leviten zu lesen. Aber es ist falsch die Wut auf die Opfer einer verfehlten Politik zu fokussieren.
Wir dürfen nicht schweigen und wir dürfen nicht zum Mitläufer werden. Wir müssen uns unserer individuellen Verantwortung bewusst werden. Denn „Was nützt die beste, will sagen, scheußlichste, beschämendste Geschichte, wenn wir nichts daraus lernen können? Das wäre jetzt der perfekte Moment, mit Ihnen einen sehr alten Beitrag von Lothar Maier zu besprechen mit dem Untertitel „Das Grundgesetz vom Niedergang – oder: die Chancen menschlichen Überlebens auf dem Planten Erde“. Wir sollten einen Folgetermin ausmachen.
Für heute dürfte es genug an „schwer verdaulicher Kost“ sein.
Ein Stichwort nur noch: Presse / Medien.
Bernhard Suttner sagte mir einmal: In der Politik darfst du viel, eigentlich alles tun, eines niemals, die Presse kritisieren. Daran habe ich mich jetzt bald 30 Jahre mehr oder weniger gehalten. Darauf habe ich keine Lust mehr. Wer in den Medien nicht vorkommt, der existiert nicht. Wenn es darum geht, Lösungen zu finden, dann sind Redaktionsregeln, wie Berichterstattung nach Proporz ein unüberwindbares Hindernis und eines unserer größten Handicaps, nicht nur als Partei, sondern als Gesellschaft insgesamt.
Der ehemalige Chefredakteur des Focus, Wolfram Weimer, hielt beim Medienempfang des Kölner Erzbischofs im September 2011 eine Rede und kam zu dem Schluss: „Wir schätzen Wahrheiten nicht mehr genug“. Die Politik stütze sich am liebsten auf Umfragen, die Wirtschaft orientiere sich an Analysten und der Marktforschung und der Journalismus an der nackten Quote. Man höre immer weniger auf das, WAS einer zu sagen hat, als auf das WIE und WO und VOR WIE VIELEN er es sagt. Weimer wörtlich: „Wir haben eine seltsame Hierarchie von Wichtigkeiten etabliert, die technische und wissenschaftliche Intelligenz gering schätzt, die rhetorische höher und die inszenatorische am höchsten.“
Wie also sollen wir uns in Szene setzen, um Gehör zu finden?
Eine der Fragen, die mir der Redakteur der Süddeutschen Zeitung kürzlich daheim stellte, war:
„Wie will die ÖDP ihr angestaubtes Image aufbessern?“ Ich fragte ihn, was bei der ÖDP „angestaubt“ sei, die Personen oder die Inhalte. Er meinte, eher die Inhalte. Angestaubt im gedachten Zusammenhang bedeutet altmodisch, konservativ. Schlimmstenfalls reaktionär, nämlich am Bestehenden/Hergebrachten festhaltend.
Liebe Anwesende, welch Fehlinterpretation!
Die ÖDP ist das Gegenteil davon:
Wir halten nicht am Bestehenden fest. Wir müssen uns vom Hergebrachten lösen. Das politische Leitbild des ständigen Wachstums richtet den Planeten zugrunde und reduziert die Chancen der kommenden Generationen. Wenn wir dem Planeten hingegen eine Zukunft geben wollen, dann müssen wir uns vom bestehenden System verabschieden. Dann brauchen wir
• einen Gegenentwurf zum gängigen Wachstumsirrtum,
• eine Steuerreform für Arbeit und Umwelt,
• eine Ressourcenwende in Technik und Forschung,
• eine vorausschauende Umweltpolitik und keine End-of-Pipe-Lösunge,
• ein Ende des Flächenfraßes,
• eine neue Dienstleistungsgesellschaft,
• eine Gleichstellung von außerhäuslicher Erwerbsarbeit und häuslicher Arbeit in der Erziehung, Pflege und im Ehrenamt,
• regionale Wirtschaftskreisläufe,
• regionale Wertschöpfung,
• regionale Energiegewinnung,
und vieles andere mehr.
Ich möchte mit Ihnen, mit euch heute ein überzeugtes „JA zur Zukunft“ sprechen und mich dazu Robert Jungks bedienen. Robert Jungk war einer der ersten, der auf die Gefährdung der Zukunft hinwies. Er nennt Gründe, die gegen einen unvermeidlichen Weltuntergang sprechen.
Ich meine, die Worte Jungk’s sind aktueller denn je, wenn er sagt:
„Fehlurteile sind vor allem aus drei Unterlassungen zu erklären:
1. Dem Überhören neuartiger und daher ungewohnter leiser Signale, die sich im Denken und Handeln von Personen und Gruppen ankündigen, welche mit dem herrschenden Zeitgeist nicht konform gehen.
2. Der Annahme, dass der Mensch sich nicht ändert, die vielleicht bei kurzfristiger Betrachtungsweise zutrifft, langfristig jedoch nicht aufrechterhalten werden kann.
3. Der Unterschätzung der menschlichen Phantasie, die immer wieder unerwartete und unvorhersagbare Problemlösungen in scheinbar ausweglosen Lagen findet.“
Gerade die Unsicherheit und Gefährdung der Welt kann statt zu lähmen auch mobilisieren. Das ist auch unsere Aufgabe: informieren und mobilisieren. Wir müssen diesem politischen Mainstream – auch ohne Erfolgsgewissheit – Ansätze anderen Denkens, anderen Tuns entgegensetzen.
Verzweiflung, meint Jungk, ist ein „Luxus“, den wir uns in unserer Lage nicht leisten dürfen. Ich schließe meine Gedanken mit einem Neujahrswunsch von Rainer Maria Rilke und wünsche uns im Anschluss interessante Gespräche.
Wir wollen glauben
Wir wollen glauben
an ein langes Jahr,
das uns gegeben ist,
neu, unberührt,
voll nie gewesener Dinge,
voll nie getaner Arbeit,
voll Aufgabe, Anspruch,
Zumutung.
Wir wollen sehen,
dass wir´s nehmen lernen,
ohne allzu
viel fallen zu lassen, von dem,
was es zu vergeben hat,
an die, die Notwendiges,
Ernstes und Großes
von ihm verlangen.
(Rainer M. Rilke)
Alles Gute für Sie.
Gabriela Schimmer-Göresz ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte.
Die 62-jährige ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Weiler im Landkreis Neu- Ulm. Sie hat über 25 Jahre Erfahrung in der Parteiarbeit der ÖDP. Ihre Schwerpunkte liegen im Kampf gegen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA und in der Kritik am ungebremsten neoliberalen Wirtschaftswachstum. Sie setzt sich unter anderem für die Idee der Postwachstumsökonomie ein. Schimmer-Göresz wünscht sich eine nachhaltige Aufbauarbeit der Partei von unten und eine weitere politische Verankerung in allen Bundesländern.
Redemanuskript Gabriela Schimmer-Göresz – Jahresauftakt der ÖDP München – 06.01.2015
„Ein System siegt sich zu Tode“
Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Münchner ÖDP, was ist denn das für ein Titel für den Jahresanfang, wo man doch viel lieber ein uneingeschränktes „JA zur Zukunft“ hinausrufen möchte? Wo man seine individuellen Chancen neu ausloten und auch nutzen soll?
„Ein System siegt sich zu Tode“ ist der Titel eines Buches von Lothar Mayer aus dem Jahr 1992 mit dem Untertitel „Der Kapitalismus frisst seine Kinder“. Garstige Worte an einem kirchlichen Hochfest, das schon länger nicht mehr nur den Kirchen gehört, sondern auch der Politik einen würdigen Rahmen für Rückblick und Vorausschau bietet.
Was werden sich die Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD wieder gegenseitig auf die Schultern klopfen anlässlich von Neujahrsempfängen und Dreikönigstreffen ob unserer herausragenden Position im globalen Vergleich. Kenngrößen wie Bruttoinlandsprodukt oder Außenhandelsbilanzen, Arbeitslosenstatistiken, Wachstumsprognosen und was nicht alles werden herhalten müssen, um sich als erfolgreich darzustellen.
Der erste linke Ministerpräsident eine Irrung der Wähler und das, was sich derzeit jeden Montag in Dresden und anderen Städten abspielt, eine hoffentlich vorübergehende Erscheinung, der man lediglich den Aufstand der Anständigen entgegensetzen muss??
Zu PEGIDA und dem Irrtum der Massen später.
Zunächst ein kurzer Blick zurück:
Es war ein sonniger Samstag, der 26. April 1986, als in Tschernobyl der Reaktor hochging und ich mich in München bei strahlendem Sonnenschein dem Einkaufserlebnis der Großstadt hingab. Beim Verlassen von Hugendubel hielt mir jemand ein Flugblatt der ÖDP hin. Welche Katastrophe sich an diesem Tag 2.000 km entfernt ereignet hatte, war noch nicht bei uns angekommen.
Der erste linke Ministerpräsident eine Irrung der Wähler und das, was sich derzeit jeden Montag in Dresden und anderen Städten abspielt, eine hoffentlich vorübergehende Erscheinung, der man lediglich den Aufstand der Anständigen entgegensetzen muss??
Zu PEGIDA und dem Irrtum der Massen später.
Zunächst ein kurzer Blick zurück:
Es war ein sonniger Samstag, der 26. April 1986, als in Tschernobyl der Reaktor hochging und ich mich in München bei strahlendem Sonnenschein dem Einkaufserlebnis der Großstadt hingab. Beim Verlassen von Hugendubel hielt mir jemand ein Flugblatt der ÖDP hin. Welche Katastrophe sich an diesem Tag 2.000 km entfernt ereignet hatte, war noch nicht bei uns angekommen.
(ÖDP- Flugblatt zu Tschernobyl von 1986: http://viertuerme.blogspot.de/2011/03/gegen-die-lugen-vor-und-nach.html )
Bis dato eigentlich unpolitisch bzw. im vorpolitischen Raum als Mutter zweier kleiner Kinder in Kirche und Schule ehrenamtlich tätig, erreichte mich der Inhalt des ÖDP-Flugblattes sofort. In Kombination mit dem GAU und der Hilflosigkeit der Politik, haben wir uns weiteres Info-Material besorgt und sind im Landtagswahljahr 86 Anfang Mai sofort Mitglied geworden. Der Kreisverband Memmingen wurde gegründet, die Kandidaten nominiert und der Wahlkampf organisiert. Mit viel Euphorie und der Unterstützung von Dr. Herbert Gruhl, einem der Gründer der ÖDP, sind wir die Wahl damals angegangen und mit einem Ergebnis von 0,6 % maximal enttäuscht worden.
Der Anfangsschwung war beim Kreisvorsitzenden weg und ich habe den KV 1989 übernommen. Nach 26 Jahren bin ich noch immer Kreisvorsitzende und seit knapp zwei Monaten Bundesvorsitzende der ÖDP.
Herbert Gruhl hat 1975 sein Buch „Ein Planet wird geplündert“ veröffentlicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel bedankte sich am 15. November 2010 bei Ole von Beust für dessen Arbeit als Präsidiumsmitglied und Umweltbeauftragten der CDU mit einer Ausgabe von Gruhls Bestseller.
(Einige Texte von Herbert Gruhl: http://viertuerme.blogspot.de/search?q=Herbert+Gruhl
"Ein Planet wird geplündert": http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Planet_wird_gepl%C3%BCndert )
Und der Vorsitzende der größten deutschen Umweltinitiative der Wirtschaft B.A.U.M. e.V., Prof. Dr. Maximilian Gege, nannte die Lektüre von Gruhls Werk ein "Schlüsselerlebnis" und hält es für „aktueller denn je“. http://www.baumev.de/
Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Aber wo bitte ist die adäquate politische Kehrtwende, die angemessene Reaktion? Die Plünderung des Planeten wurde nicht nur unbeirrt fortgesetzt. Durch die diskutierten Freihandelsabkommen, ob sie nun CETA, TTIP oder TISA heißen, wird bei der Plünderung noch einmal richtig aufs Gaspedal getreten. Und die Politik bzw. die Bundeskanzlerin verkauft uns dies als alternativlos. „Wenn wir es nicht machen, macht es der Chinese“ und Europa sei weg vom Fenster. (Aktion, von der ÖDP angestoßen, zum Thema: https://www.change.org/p/dr-angela-merkel-tisa-abkommen-gefaehrdet-finanzmarktregulierung )
So einfach ist das für die Mutter der markt-konformen Demokratie. Die Drecksarbeit lässt sie ihren SPD-Wirtschaftsminister Gabriel erledigen, ob bei der Energiewende oder bei den Freihandelsabkommen. Und auch Hannelore Kraft, SPD-Ministerpräsidentin in Nordrhein- Westfalen, macht sich für die dort ansässige Industrie stark und betont, dass wirtschaftliche Interessen und Arbeitsplätze Vorrang haben vor der Umwelt. „Man kann einfach nicht gleichzeitig aus der Atomenergie und der Kohle aussteigen“, so das Credo von Gabriel.
Ende November 2012 veranstaltete die Volkswagenstiftung in Hannover eine große internationale Konferenz zum vierzigsten Jahrestag der bekannten Studie „Grenzen des Wachstums“. Der Hauptautor, Dennis Meadows, hielt den Eröffnungsvortrag vor 160 Wissenschaftlern und seine Botschaft war unmissverständlich: Das Einschlagen eines nachhaltigen Pfades sei heute – anders als noch vor 40 Jahren – nicht mehr möglich. Zuviel sei seither angerichtet worden. Noch immer steige der Verbrauch von Energie und Material und wachse die Menge von Müll und Emissionen. http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums
Meadows ist in seiner Forderung eindeutig:
Die Wachstumsideologie erweist sich längst als Lebenslüge. - Heute könne es nur mehr darum gehen, die Gesellschaften resilient, d.h. widerstandsfähig für das zu machen, was mit Sicherheit auf sie zukommt: Rohstoffmangel, Extremwetterereignisse, Wohlstandsverlust und Stress aller Art. Wir brauchen ein grundlegendes Umsteuern. Einen Lebensstil des Weniger.
Der Club of Rome, eine Vereinigung von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik aus allen Regionen unserer Erde, hat einen neuen Bericht herausgegeben mit dem Titel „Der geplünderte Planet“. http://de.wikipedia.org/wiki/Club_of_Rome
Zusammengefasst heißt es: Die allmähliche Erschöpfung kostengünstiger mineralischer Bodenressourcen stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Zukunft des Wohlstands und des Wirtschaftssystems dar.
Beim Lesen dachte ich, ich bin im falschen Film. „Ein Planet wird geplündert“ kommt also fast 40 Jahre später als „Der geplünderte Planet“ in den Buchhandel - und die Politik reagiert noch immer nicht. Den von Meadows 2012 geforderten Lebensstil des „Weniger“ hatte die ÖDP bereits 30 Jahre früher, 1982 zum Leitgedanken ihres politischen Programms gemacht und seither nie verraten! https://www.youtube.com/watch?v=EkCufZ-9WWM
Am 25. Februar 2009 hatte der Chef-Redakteur der Augsburger Allgemeinen den Leitartikel verfasst mit der Frage: „Wo ist der Fachmann, der uns rettet?“ Er meinte damals, „das Ärgerlichste an der ganzen Vorhersagerei ist, dass uns die Fachleute zwar sagen, wie furchtbar alles wird, aber keiner sagt uns, wie wir aus der Krise wieder herauskommen.“
Zur Presse später noch ein paar Sätze.
Die Liste derer, die heute mit Nachdruck und Begründung darüber sprechen und schreiben, dass unendliches Wachstum in einer endlichen Welt nicht geht, wird immer länger. Da sind z.B. Harald Welzer und Claus Leggewie, der eine Professor für Politikwissenschaft und Publizist, der andere lehrt Sozialpsychologie. In ihrem Buch „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“ analysieren die Autoren die Auswirkungen der sich auftürmenden Krisen des Kapitalismus und zeigen, wie die Demokratie in Gefahr gerät, wenn sie keinen Weg aus der Leitkultur der Verschwendung findet. Neueste Veröffentlichung von Bernd Sommer und Harald Welzer: „Transformationsdesign, Wege in eine zukunfsfähige Moderne.“
Der mit „konservativ“ titulierte Gesellschaftswissenschaftler und Leiter des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Prof. Meinhard Miegel hat nach dem Buch „EXIT – Wohlstand ohne Wachstum“ nun ein weiteres Buch mit dem Titel „Epochenwende“ veröffentlicht. „Die Zeit des Wachstums im Westen ist vorbei“, sagt Miegel und appelliert an die Tugend und an die Moral.
Tugend und Moral? – Welch ein Anspruch in einer Zeit, in der Politik nur mehr Interessen dient und nicht mehr Werten, wo Politik der Ausgleich von Interessen ist und nicht die Umsetzung von Wahrheiten.
Bill McKibben, Umweltjournalist und Umweltaktivist, Autor des Buches „Das Ende der Natur“ rechnet uns vor, dass die fossile Brennstoffindustrie 2800 Gigatonnen Kohlendioxid in Form von
Gas, Kohle und Öl in ihren Büchern eingepreist habe und selbstverständlich plane, diese zu verbrennen. – Gabriel und Kraft sind dabei behilflich. – Wenn das geschehe, meint McKibben, sei das Ende des Planeten, so wie wir ihn kennen, vorgezeichnet.
Auch Ernst-Ulrich von Weizsäcker ergreift in einem Interview das Wort. „Alle Welt macht Politik, um mehr Konsum zu ermöglichen. Steuergeld wird verschwendet, damit mehr Natur verbraucht wird und das bei allen Lippenbekenntnissen zum Natur- und Umweltschutz. Das ist der helle Wahnsinn weltweit.“ http://www.deutschlandradiokultur.de/alle-welt-macht-politik-um-mehr-konsum-zu-ermoeglichen.990.de.html?dram:article_id=258169
Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wer wollte da widersprechen?
Und wieder ging ein Klima-Gipfel zu Ende, der sehr wahrscheinlich mehr CO2 ausgestoßen hat als er je einsparen wird. Es kann doch nichts Brauchbares oder Vernünftiges herauskommen, wenn die Befindlichkeit in den Chefetagen der börsennotierten Unternehmen wichtiger ist als eine verbindliche Lösung, die wirklich trägt.
Wenn es der Bundesregierung wirklich ernst wäre mit unserem Klima, dann müsste sie als allererstes Subventionen abbauen, die dem Klima schaden. Hier gibt es Handlungsbedarf! Die klima- und gesundheitsschädlichen Fördermittel beliefen sich laut einer neuen Studie des Umweltbundesamtes im Jahr 2010 – neuere Zahlen liegen nicht vor – auf 52 Milliarden Euro. 2006 lag die Zahl noch bei 42 Milliarden. 24,4 Mrd. entfallen allein auf den Verkehrssektor. Ein Beispiel ist hier die Energiesteuerbefreiung des Kerosins. 21,6 Mrd. gibt er Staat für Energiebereitstellung aus. Dabei sind die umweltschädlichen Subventionen sogar mehrfach schädlich. Erstens fallen Kosten an. Zweitens entstehen Umwelt- und Gesundheitsschäden und drittens benachteiligen sie die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien. Löst jemand diesen Widerspruch auf? Nein, ganz im Gegenteil. Junkers hat gerade eine 500 Mrd. Euro schwere EU-Wachstums-Förderung durchgesetzt, wo perverserweise die Luftfahrt gefördert werden soll und einige Länder mithilfe dieses Programms neue Atomkraftwerke bauen wollen.
Die Zahl der Klimaflüchtlinge explodiert. Die Versicherungsleistungen für die Beseitigung der Klimaschäden steigen. Es ist absehbar, dass wir immer mehr Mittel in Hilfs-, Reparatur- und Wiederaufbaumaßnahmen werden stecken müssen. Für eine grundlegende Umstellung z.B. der Energieversorgung werden die volkswirtschaftlichen Ressourcen nicht mehr ausreichen. Vieles wird sich nicht mehr reparieren lassen und eine Reihe von Problemen wird sich erst noch den Weg in unser Bewusstsein bahnen müssen.
Es geht nicht nur um ein Zuviel an CO2. Es scheint wenig bekannt, dass der neuerdings vielfach genutzte Indikator „CO2-Fußabdruck“ als Wegweiser zu einer nachhaltigen Zukunft allein nicht taugt. CO2 ist nur eine der klimawirksamen Emissionen. Zudem kommt ein Zuviel an N2O (Distickstoffmonoxid) und Methan.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht. Bernhard Suttner sagt immer: „Bei mir schüttelt der Kopf inzwischen ganz von alleine“. Mir geht’s genauso. Es gibt diskutierte Alternativen, z.B. den Green New Deal der Grünen: Mit Hightech sollen Firmen den Klimawandel bekämpfen. Doch selbst Mitglieder einer Bundestags-Enquete- Kommission warnen: Viele Verbesserungen, die es unbestritten gibt und noch geben wird, verpuffen durch erhöhten Konsum. Die Bürger müssen ihr Verhalten grundlegend ändern, das würden selbst Vertreter der wachstums-freundlichen Regierungsparteien erkennen.
Diese Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wie weit ist denn der Weg vom Kopf bis zur Hand, vom Erkennen bis zum Tun?
Die Kommissions-Mitglieder stellen die entscheidende Frage: „Lässt sich das Wirtschaftswachstum vom Ressourcen-verbrauch entkoppeln?“
Und er gibt darauf eine Antwort: Niko Peach. Er ist einer der bedeutendsten deutschen Wachstumskritiker und bei der ÖDP, auch hier in München bestens bekannt. Als Vorsitzender der Vereinigung für Ökologische Ökonomie und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates von attac genießt er einen hohen Bekanntheitsgrad und findet bei einer breiten Öffentlichkeit Gehör, bei den Parteien – außer der ÖDP – bisher nicht. http://www.voeoe.de/
Niko Peach liefert die Antwort auf die vorher gestellte Frage: „Wer heute noch Wachstum propagiert, muss an nicht weniger als zwei Entkoppelungswunder glauben, nämlich hinsichtlich knapper Ressourcen und ökologischer Schäden.“ Peach entlarvt in seiner Streitschrift „grünes“ Wachstum als Mythos. Die beiden „Königswege“ nachhaltiger Konsum und grünes Wachstum taugen nicht zur Lösung unser vielfältigen Probleme. In seinem Gegenentwurf, der Postwachstumsökonomie, fordert Peach industrielle Wertschöpfungsprozesse einzuschränken und lokale Selbstversorgungsmuster zu stärken. Diese Art zu wirtschaften wäre in seinen Augen genügsamer, aber auch stabiler und ökologisch weit verträglicher. Und sie würde viele Menschen entlasten, denen „im Hamsterrad der materiellen Selbstverwirklichung schon ganz schwindelig wird“, heißt es im Klappentext seines Buches „Befreiung vom Überfluss.“
Es sind wenige Sätze aus diesem Buch, die bei mir nachhaltig wirken:
„Wenn wir den Rückbau überzogener Ansprüche nicht selbst vornehmen, werden schicksalhafte Umstände den Job übernehmen – aber nicht mit Samthandschuhen.“
Hier können Sie Ihrer Phantasie freien Lauf lassen.
Wenn Sie damit Probleme haben, helfe ich gerne ein bisschen nach.
2011 sprach Prof. Radermacher, ein Ihnen sicher bekannter Globalisierungskritiker, Gründungsmitglied des Club of Rome, über die Zukunft der Weltwirtschaft. Er stellte im Wesentlichen zwei Alternativen vor: Balanced world mit dem Ausgleich zwischen armen und reichen Ländern, Ökologisierung der Landwirtschaft und der Wirtschaft, Ressourcenschonung etc. einerseits oder Brasilianisierung, d.h. Auseinanderdriften der Gesellschaft, kleine superreiche Oberschicht, verarmte Unterschicht, rücksichtslose Ausbeutung der Natur andererseits.“
Nach Rademacher sprach auf den Unternehmertagen der Volks- und Raiffeisenbanken in Oldenburg der Präsident des Niedersächsischen Landvolk Landesbauernverbandes Hilse. Er sagte: „Ich glaube nicht an Utopien, ich stelle mich auf die Brasilianisierung ein. Man muss dann aber auch bereit sein, sein Eigentum mit der Waffe in der Hand gegen die Unterschicht zu verteidigen.“
Teilen oder töten?
Wie wollen, wie werden wir uns entscheiden? Diese Frage ist unstrittig auch eine Frage in der entbrannten Diskussion um den Sinn oder Unsinn von Freihandelsabkommen.
Es geht um den Erhalt dieses minimalen Restes an Demokratie, den wir noch haben, und es geht um unsere Freiheit, für die wir mit aller Kraft einstehen müssen. Der Markt braucht keine freien Bürger, der Markt braucht lediglich Teilnehmer, die gerade noch so frei sind, um zwischen dem einen oder dem anderen Produkt zu entscheiden, das sie in der Regel gar nicht brauchen.
Selbst, wenn alles, was derzeit an den Freihandelsabkommen kritisch diskutiert wird, angefangen von den Investoren-Staat-Streitigkeiten über den Regulatorischen Rat, die Standards in allen Bereichen bis hin zur Ewigkeitsklausel, noch zufriedenstellend gelöst werden sollte – wonach es nicht ausschaut, weil uns wieder der Name Gabriel begegnet –, für zwei gewaltige Weltprobleme im 21. Jahrhundert liefern die Freihandelsabkommen keine Lösung, im Gegenteil, sie verschärfen die Situation. Wir müssen sie ernsthaft anpacken:
1) Mit dem weit verbreiteten Elend in vielen Ländern dürfen wir uns nicht mehr abfinden. Da muss ein menschen-würdiger Zustand rreicht werden. An diesem Ziel hat sich die globale Wirtschaft zu orientieren.
2) Gleichzeitig muss der Ressourcenverzehr gestoppt werden, der den Planeten auffrisst. Um diese beiden Probleme kümmern sich die aktuellen Freihandelsabkommen nicht. Im Gegenteil: Ziel der Abkommens ist es, die weltweit größten ökonomischen Systeme (EU und Nordamerika) weiterhin auf Ressourcenverbrauch einzuschwören und den Abstand zu den armen Ländern womöglich noch zu erweitern. Genau besehen geht es sogar um Ausgrenzung der Armen, wenn die Reichen gemeinsame Sache machen.
Papst Franziskus hat es auf den Punkt gebracht: „Eine Wirtschaft, die ausgrenzt, ist eine Wirtschaft, die tötet.“ Selten hat ein Papst sich so deutlich und so treffend zu Wort gemeldet. Wir brauchen Abkommen zum Welthandel. Aber die Ziele müssen anders gesetzt werden! TTIP widerspricht elementaren Anforderungen an eine faire und nachhaltige Handelspolitik. Es gibt Vorschläge, z.B. das Alternative Handelsmandat oder von den kirchlichen Entwicklungsdiensten Brot für die Welt und Misereor. http://www.attac.de/index.php?id=72087
Kürzlich fragte mich ein Journalist, wie ich unsere Wachstumskritik dem nicht so gebildeten Menschen an der Ecke beim Info-Stand erklären will. Ganz einfach:
„Stellen Sie sich vor, sie haben ein Konto, auf das niemand einzahlt, von dem sie aber immer schneller immer höhere Beträge abheben. Was glauben Sie passiert?“
Nochmals zurück zu Niko Peach. Sein Fazit lautet: Wir haben (noch) die Wahl! Aber nur, wenn wir zur Verantwortbarkeit ökonomischen Handelns zurückkehren oder das tun, was Prof. Miegel fordert, nämlich Tugend, Moral und Verantwortung wieder ins Spiel zu bringen. Unterstützt wird das Gesagte durch etliche Buchveröffentlichungen der heutigen Tage, mit Titeln wie Damit gutes Leben einfacher wird – Wohlstand ohne Wachstum, diesmal nicht von Miegel, sondern von Tim Jackson – Wege in eine zukunftsfähige Moderne – Warum wir Wirtschaft neu denken müssen – Intelligente Verschwendung – Glücks-Ökonomie und Small is beautiful.
Liebe Anwesende: Die ÖDP hat das „small is beautiful“ schon vor drei Jahrzehnten übersetzt in „Weniger ist Mehr“. Für diese drei Worte sind wir als Weltuntergangspropheten gegeißelt und bei Wahlen links liegen gelassen worden.
Der Untertitel von „Grüne Lügen“, geschrieben vom Gründer des Wuppertalinstitutes Friedrich Schmidt-Bleek bringt das Dilemma auf den Punkt:
„Nichts für die Umwelt, alles für’s Geschäft – wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten.“
Schmidt-Bleek macht in seinem Buch Vorschläge. Es seien nicht nur technische Innovationen nötig, sondern vor allem politische Anreize und Einstellungsänderungen bei den Nutzern erforderlich.
Für ÖDP-Aktive liest sich das Kernkapitel des Buches wie unser Parteiprogramm:
Für die Ressourcenwende sei eine grundlegende Änderung des Steuer- und Abgabensystems erforderlich:
• Der Faktor „menschliche Arbeit“ müsse deutlich entlastet werden.
• Der Einsatz von natürlichen Ressourcen und das Kapital solle hingegen die Hauptlast an Steuern und Abgaben tragen.
Kommt uns das nicht allzu bekannt vor? - Steuerreform für Arbeit und Umwelt heißt das bei uns.
Natürlich ist es positiv zu bewerten, dass wir mehr und mehr bestätigt werden. Allerdings erkenne ich für die ÖDP eine große Tragik:
Viele der Buchautoren, angefangen bei Prof. Niko Peach, über Prof. Harald Welzer bis hin zu Schmidt-Bleek haben eines gemeinsam: Sie sind entweder auf beiden Augen blind oder unerträglich arrogant, wenn sie unisono behaupten, dass es in Deutschland keine Partei gebe, die sich kritisch mit der Wachstumsproblematik auseinandersetze. Eine Partei die sich dieses Themas annehme, müsse gegründet werden und dürfe sich ihrer Wahl sicher sein.
Was soll ich sagen?
Wir sind auf der Höhe der Zeit, aber man kennt uns nicht!? Es haben populistische Euro-Kritiker und Goldhändler Zulauf. Und es treffen sich tausende von Menschen jeden Montag in Dresden, um die Politik das Fürchten zu lehren. Ich mag keine verkürzten Wahrheiten, ich halte sie im wahrsten Wortsinn für brandgefährlich. Gestern war es der Jude und es brannten Synagogen. Heute muss als „Feindbild“ der Flüchtling, der Asylant herhalten und es brennen Asylbewerberheime. Wo ist denn bitteschön der Mut zur Wahrheit? Menschen verlassen ihre Heimat, weil sie hungern, weil sie gefoltert werden und den Tod fürchten müssen. Die Zahl der Umwelt- und Klimaflüchtlinge explodiert. Menschen haben keine Perspektiven für sich und ihre Familien, weil wir einer Wirtschaft frönen, die ausgrenzt, die ausbeutet, die tötet. Und weil das alles nicht schon zynisch genug ist, will man eine Einwanderungspolitik, die Eliten lockt. Gut ausgebildete junge Menschen dürfen rein, der Rest soll daheim bleiben und dort irgendwie mit Entwicklungshilfe über die Runden kommen?
Es geht um den Erhalt dieses minimalen Restes an Demokratie, den wir noch haben, und es geht um unsere Freiheit, für die wir mit aller Kraft einstehen müssen. Der Markt braucht keine freien Bürger, der Markt braucht lediglich Teilnehmer, die gerade noch so frei sind, um zwischen dem einen oder dem anderen Produkt zu entscheiden, das sie in der Regel gar nicht brauchen.
Selbst, wenn alles, was derzeit an den Freihandelsabkommen kritisch diskutiert wird, angefangen von den Investoren-Staat-Streitigkeiten über den Regulatorischen Rat, die Standards in allen Bereichen bis hin zur Ewigkeitsklausel, noch zufriedenstellend gelöst werden sollte – wonach es nicht ausschaut, weil uns wieder der Name Gabriel begegnet –, für zwei gewaltige Weltprobleme im 21. Jahrhundert liefern die Freihandelsabkommen keine Lösung, im Gegenteil, sie verschärfen die Situation. Wir müssen sie ernsthaft anpacken:
1) Mit dem weit verbreiteten Elend in vielen Ländern dürfen wir uns nicht mehr abfinden. Da muss ein menschen-würdiger Zustand rreicht werden. An diesem Ziel hat sich die globale Wirtschaft zu orientieren.
2) Gleichzeitig muss der Ressourcenverzehr gestoppt werden, der den Planeten auffrisst. Um diese beiden Probleme kümmern sich die aktuellen Freihandelsabkommen nicht. Im Gegenteil: Ziel der Abkommens ist es, die weltweit größten ökonomischen Systeme (EU und Nordamerika) weiterhin auf Ressourcenverbrauch einzuschwören und den Abstand zu den armen Ländern womöglich noch zu erweitern. Genau besehen geht es sogar um Ausgrenzung der Armen, wenn die Reichen gemeinsame Sache machen.
Papst Franziskus hat es auf den Punkt gebracht: „Eine Wirtschaft, die ausgrenzt, ist eine Wirtschaft, die tötet.“ Selten hat ein Papst sich so deutlich und so treffend zu Wort gemeldet. Wir brauchen Abkommen zum Welthandel. Aber die Ziele müssen anders gesetzt werden! TTIP widerspricht elementaren Anforderungen an eine faire und nachhaltige Handelspolitik. Es gibt Vorschläge, z.B. das Alternative Handelsmandat oder von den kirchlichen Entwicklungsdiensten Brot für die Welt und Misereor. http://www.attac.de/index.php?id=72087
Kürzlich fragte mich ein Journalist, wie ich unsere Wachstumskritik dem nicht so gebildeten Menschen an der Ecke beim Info-Stand erklären will. Ganz einfach:
„Stellen Sie sich vor, sie haben ein Konto, auf das niemand einzahlt, von dem sie aber immer schneller immer höhere Beträge abheben. Was glauben Sie passiert?“
Nochmals zurück zu Niko Peach. Sein Fazit lautet: Wir haben (noch) die Wahl! Aber nur, wenn wir zur Verantwortbarkeit ökonomischen Handelns zurückkehren oder das tun, was Prof. Miegel fordert, nämlich Tugend, Moral und Verantwortung wieder ins Spiel zu bringen. Unterstützt wird das Gesagte durch etliche Buchveröffentlichungen der heutigen Tage, mit Titeln wie Damit gutes Leben einfacher wird – Wohlstand ohne Wachstum, diesmal nicht von Miegel, sondern von Tim Jackson – Wege in eine zukunftsfähige Moderne – Warum wir Wirtschaft neu denken müssen – Intelligente Verschwendung – Glücks-Ökonomie und Small is beautiful.
Liebe Anwesende: Die ÖDP hat das „small is beautiful“ schon vor drei Jahrzehnten übersetzt in „Weniger ist Mehr“. Für diese drei Worte sind wir als Weltuntergangspropheten gegeißelt und bei Wahlen links liegen gelassen worden.
Der Untertitel von „Grüne Lügen“, geschrieben vom Gründer des Wuppertalinstitutes Friedrich Schmidt-Bleek bringt das Dilemma auf den Punkt:
„Nichts für die Umwelt, alles für’s Geschäft – wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten.“
Schmidt-Bleek macht in seinem Buch Vorschläge. Es seien nicht nur technische Innovationen nötig, sondern vor allem politische Anreize und Einstellungsänderungen bei den Nutzern erforderlich.
Für ÖDP-Aktive liest sich das Kernkapitel des Buches wie unser Parteiprogramm:
Für die Ressourcenwende sei eine grundlegende Änderung des Steuer- und Abgabensystems erforderlich:
• Der Faktor „menschliche Arbeit“ müsse deutlich entlastet werden.
• Der Einsatz von natürlichen Ressourcen und das Kapital solle hingegen die Hauptlast an Steuern und Abgaben tragen.
Kommt uns das nicht allzu bekannt vor? - Steuerreform für Arbeit und Umwelt heißt das bei uns.
Natürlich ist es positiv zu bewerten, dass wir mehr und mehr bestätigt werden. Allerdings erkenne ich für die ÖDP eine große Tragik:
Viele der Buchautoren, angefangen bei Prof. Niko Peach, über Prof. Harald Welzer bis hin zu Schmidt-Bleek haben eines gemeinsam: Sie sind entweder auf beiden Augen blind oder unerträglich arrogant, wenn sie unisono behaupten, dass es in Deutschland keine Partei gebe, die sich kritisch mit der Wachstumsproblematik auseinandersetze. Eine Partei die sich dieses Themas annehme, müsse gegründet werden und dürfe sich ihrer Wahl sicher sein.
Was soll ich sagen?
Wir sind auf der Höhe der Zeit, aber man kennt uns nicht!? Es haben populistische Euro-Kritiker und Goldhändler Zulauf. Und es treffen sich tausende von Menschen jeden Montag in Dresden, um die Politik das Fürchten zu lehren. Ich mag keine verkürzten Wahrheiten, ich halte sie im wahrsten Wortsinn für brandgefährlich. Gestern war es der Jude und es brannten Synagogen. Heute muss als „Feindbild“ der Flüchtling, der Asylant herhalten und es brennen Asylbewerberheime. Wo ist denn bitteschön der Mut zur Wahrheit? Menschen verlassen ihre Heimat, weil sie hungern, weil sie gefoltert werden und den Tod fürchten müssen. Die Zahl der Umwelt- und Klimaflüchtlinge explodiert. Menschen haben keine Perspektiven für sich und ihre Familien, weil wir einer Wirtschaft frönen, die ausgrenzt, die ausbeutet, die tötet. Und weil das alles nicht schon zynisch genug ist, will man eine Einwanderungspolitik, die Eliten lockt. Gut ausgebildete junge Menschen dürfen rein, der Rest soll daheim bleiben und dort irgendwie mit Entwicklungshilfe über die Runden kommen?
Ich überzeichne bewusst. Töten oder teilen?
Es ist richtig, auf die Straße zu gehen und der Politik die Leviten zu lesen. Aber es ist falsch die Wut auf die Opfer einer verfehlten Politik zu fokussieren.
Wir dürfen nicht schweigen und wir dürfen nicht zum Mitläufer werden. Wir müssen uns unserer individuellen Verantwortung bewusst werden. Denn „Was nützt die beste, will sagen, scheußlichste, beschämendste Geschichte, wenn wir nichts daraus lernen können? Das wäre jetzt der perfekte Moment, mit Ihnen einen sehr alten Beitrag von Lothar Maier zu besprechen mit dem Untertitel „Das Grundgesetz vom Niedergang – oder: die Chancen menschlichen Überlebens auf dem Planten Erde“. Wir sollten einen Folgetermin ausmachen.
Für heute dürfte es genug an „schwer verdaulicher Kost“ sein.
Ein Stichwort nur noch: Presse / Medien.
Bernhard Suttner sagte mir einmal: In der Politik darfst du viel, eigentlich alles tun, eines niemals, die Presse kritisieren. Daran habe ich mich jetzt bald 30 Jahre mehr oder weniger gehalten. Darauf habe ich keine Lust mehr. Wer in den Medien nicht vorkommt, der existiert nicht. Wenn es darum geht, Lösungen zu finden, dann sind Redaktionsregeln, wie Berichterstattung nach Proporz ein unüberwindbares Hindernis und eines unserer größten Handicaps, nicht nur als Partei, sondern als Gesellschaft insgesamt.
Der ehemalige Chefredakteur des Focus, Wolfram Weimer, hielt beim Medienempfang des Kölner Erzbischofs im September 2011 eine Rede und kam zu dem Schluss: „Wir schätzen Wahrheiten nicht mehr genug“. Die Politik stütze sich am liebsten auf Umfragen, die Wirtschaft orientiere sich an Analysten und der Marktforschung und der Journalismus an der nackten Quote. Man höre immer weniger auf das, WAS einer zu sagen hat, als auf das WIE und WO und VOR WIE VIELEN er es sagt. Weimer wörtlich: „Wir haben eine seltsame Hierarchie von Wichtigkeiten etabliert, die technische und wissenschaftliche Intelligenz gering schätzt, die rhetorische höher und die inszenatorische am höchsten.“
Wie also sollen wir uns in Szene setzen, um Gehör zu finden?
Eine der Fragen, die mir der Redakteur der Süddeutschen Zeitung kürzlich daheim stellte, war:
„Wie will die ÖDP ihr angestaubtes Image aufbessern?“ Ich fragte ihn, was bei der ÖDP „angestaubt“ sei, die Personen oder die Inhalte. Er meinte, eher die Inhalte. Angestaubt im gedachten Zusammenhang bedeutet altmodisch, konservativ. Schlimmstenfalls reaktionär, nämlich am Bestehenden/Hergebrachten festhaltend.
Liebe Anwesende, welch Fehlinterpretation!
Die ÖDP ist das Gegenteil davon:
Wir halten nicht am Bestehenden fest. Wir müssen uns vom Hergebrachten lösen. Das politische Leitbild des ständigen Wachstums richtet den Planeten zugrunde und reduziert die Chancen der kommenden Generationen. Wenn wir dem Planeten hingegen eine Zukunft geben wollen, dann müssen wir uns vom bestehenden System verabschieden. Dann brauchen wir
• einen Gegenentwurf zum gängigen Wachstumsirrtum,
• eine Steuerreform für Arbeit und Umwelt,
• eine Ressourcenwende in Technik und Forschung,
• eine vorausschauende Umweltpolitik und keine End-of-Pipe-Lösunge,
• ein Ende des Flächenfraßes,
• eine neue Dienstleistungsgesellschaft,
• eine Gleichstellung von außerhäuslicher Erwerbsarbeit und häuslicher Arbeit in der Erziehung, Pflege und im Ehrenamt,
• regionale Wirtschaftskreisläufe,
• regionale Wertschöpfung,
• regionale Energiegewinnung,
und vieles andere mehr.
Ich möchte mit Ihnen, mit euch heute ein überzeugtes „JA zur Zukunft“ sprechen und mich dazu Robert Jungks bedienen. Robert Jungk war einer der ersten, der auf die Gefährdung der Zukunft hinwies. Er nennt Gründe, die gegen einen unvermeidlichen Weltuntergang sprechen.
Ich meine, die Worte Jungk’s sind aktueller denn je, wenn er sagt:
„Fehlurteile sind vor allem aus drei Unterlassungen zu erklären:
1. Dem Überhören neuartiger und daher ungewohnter leiser Signale, die sich im Denken und Handeln von Personen und Gruppen ankündigen, welche mit dem herrschenden Zeitgeist nicht konform gehen.
2. Der Annahme, dass der Mensch sich nicht ändert, die vielleicht bei kurzfristiger Betrachtungsweise zutrifft, langfristig jedoch nicht aufrechterhalten werden kann.
3. Der Unterschätzung der menschlichen Phantasie, die immer wieder unerwartete und unvorhersagbare Problemlösungen in scheinbar ausweglosen Lagen findet.“
Gerade die Unsicherheit und Gefährdung der Welt kann statt zu lähmen auch mobilisieren. Das ist auch unsere Aufgabe: informieren und mobilisieren. Wir müssen diesem politischen Mainstream – auch ohne Erfolgsgewissheit – Ansätze anderen Denkens, anderen Tuns entgegensetzen.
Verzweiflung, meint Jungk, ist ein „Luxus“, den wir uns in unserer Lage nicht leisten dürfen. Ich schließe meine Gedanken mit einem Neujahrswunsch von Rainer Maria Rilke und wünsche uns im Anschluss interessante Gespräche.
Wir wollen glauben
Wir wollen glauben
an ein langes Jahr,
das uns gegeben ist,
neu, unberührt,
voll nie gewesener Dinge,
voll nie getaner Arbeit,
voll Aufgabe, Anspruch,
Zumutung.
Wir wollen sehen,
dass wir´s nehmen lernen,
ohne allzu
viel fallen zu lassen, von dem,
was es zu vergeben hat,
an die, die Notwendiges,
Ernstes und Großes
von ihm verlangen.
(Rainer M. Rilke)
Alles Gute für Sie.
Gabriela Schimmer-Göresz ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte.
Die 62-jährige ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Weiler im Landkreis Neu- Ulm. Sie hat über 25 Jahre Erfahrung in der Parteiarbeit der ÖDP. Ihre Schwerpunkte liegen im Kampf gegen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA und in der Kritik am ungebremsten neoliberalen Wirtschaftswachstum. Sie setzt sich unter anderem für die Idee der Postwachstumsökonomie ein. Schimmer-Göresz wünscht sich eine nachhaltige Aufbauarbeit der Partei von unten und eine weitere politische Verankerung in allen Bundesländern.
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