Aus: „Professor John Vandermeer fordert den Umweltaktivisten Mark Lynas zur Gentechnik heraus“ (Ins Netz gestellt am 22. Januar 2013 )
…. Die Nachricht über den Wandel von Herrn Mark Lynas (zum GVO-Befürworter) ist in Windeseile um die Welt gegangen. Ein böser Bub, der plötzlich das Licht erblickt und sich jetzt in Weiß kleidet. Seine Konversion war so vollständig, daß die Evangelisten rund um den Globus gut daran täten, für sich die Geheimnisse seiner Botschaften herauszufinden. Und sein Wechsel ereignete sich zu einem für das industrielle Agrar-System überaus günstigen Zeitpunkt, da es weltweit unter Beschuss geraten war durch Menschen, die versuchen Druck für eine nachhaltigere Landwirtschaft zu machen.
Aber der politische Fallout, so negativ er unglücklicherweise ist, wird nachlassen.. Es gibt in dieser Angelegenheit jedoch etwas anderes, das wir alle begrüßen sollten. Ich lehre Wissenschaft (Biologie) an der Universität von Michigan, und als ein Lehrender der Wissenschaft kann ich nicht anders als darüber erfreut zu sein, wenn jemand behauptet:
„Ich habe die Wissenschaft entdeckt“.
Das ist großartig. Und Mark`s Entdeckung scheint so kindhaft unschuldig zu sein, wie ich selbst es war, als ich die Wissenschaft in meinen jüngeren Jahren an der High Scholl entdeckte. Im Gegensatz zu dem, was manche seiner Kritiker sagen, begrüße ich seinen Wandel und möchte ihn antreiben, seine Ausbildung fortzusetzen. Das Problem ist natürlich, daß eine neue (anfängliche) Entdeckung wie diese zu allen möglichen Arten von Eindrücken führen kann, die sich bei einem weiteren Studium dann als irreführend und manchmal als falsch herausstellen.
Das Problem ist, daß auf diesem ersten elementaren Level, alle wissenschaftlichen Lehrer die Dinge sehr vereinfachen, hierbei annähernde Metaphern und vereinfachende Diagramme benutzen beim Versuch, ihre Studenten dahin zu kriegen, einige ziemlich komplexe Ideen zu verstehen. Was man daran anschließend Schritt für Schritt an der graduierten Schule für den Abschluß lernt, ist dann ein Kompendium voller Komplikationen.
Mark Lynas hat jetzt die Wissenschaft entdeckt, und es liegt jetzt an uns allen, ihn zu ermutigen, seinen Lehrgang fortzusetzen. Ich vermute, dass einiges, was er dann dabei herausfinden wird, nicht gut mit seinen momentanen Einblicken zusammen passen wird. Aber wir können nur hoffen, daß sein jungendlicher Enthusiasmus für Wissenschaft als einer Ideologie auch für ein ernsthaftes Studium der wissenschaftlichen Komplikationen ausreicht. Wir können nur hoffen, daß er nicht nur einer jener Konvertierten ist, die öffentliche Aufmerksamkeit erheischen und sich hierbei geschickt einer bezwingenden Politik bedienen in der Art von: „Ich war einmal gegen X – aber jetzt liebe ich es (und übrigens macht das für mich auch grundlegend viel mehr Sinn, dafür zu sein).“
Mark hat die Biologie der High School entdeckt. Jetzt wird es Zeit für ihn, das College zu besuchen.
Zu den Dingen, die er dann entdecken könnte, gehört z. B. das endokrine System. Es ist von ziemlicher Bedeutung für unser Leben und die Wissenschaft hat gezeigt, daß dieses System von
einer großen Bandbreite an Molekülen „gestört“ werden kann. Manchmal sind das natürlich vorkommende Moleküle, doch häufig sind sie Teil von chemischen Cocktails, die gewöhnlich in der industriellen Landwirtschaft angewandt werden.
Mark Lynas wird dann entdecken, daß eine Menge wissenschaftlicher Studien Glyphosat (aktiver Bestandteil in Monsanto`s Roundup) mit der Störung des endokrinen Systems in Verbindung bringt, und er wird realisieren, daß solche Störungen des Hormonsystems manchmal zu negativen Folgen führen können, wie Geburts-Defekten (oder: Missbildungen von Neugeborenen) oder Krebs und - ich kann es gar nicht erwarten, seine Reaktion darauf mitzukriegen – zu den gut bekannten Auswirkungen auf die männlichen Geschlechtorgane, die Penisse.
Und im Unterrichtsfach Ökologie könnte er herausfinden, daß Abbauprodukte von großen Molekülen für Jahrzehnte und sogar Hunderte von Jahren in der Umwelt überdauern können.
Und in seinem Physiologie-Lehrgang wird er entdecken, daß kleine Mengen an Substanzen ziemlich große Folgen haben können.
Als Beispiel nenne ich hier das Roundup. Das ist ein kommerzielles Produkt, dessen aktiver Inhaltsstoff Glyphosat ist, das aber zusätzlich andere Chemikalien enthält, die seine Wirkung verstärken sollen.
Besonders eine Chemikalie wird hinzu gegeben, die als Oberflächen-Benetzungs-Mittel fungiert und sicher stellt, daß die Flüssigkeit, die das Roundup enthält, an der Pflanze haften bleibt, die mit dem Herbizid angegriffen wird. Selbst wenn Glyphosat für die Umwelt vollkommen gutartig wäre (was es nicht ist, aber für unsere Argumentation an dieser Stelle sei einmal davon ausgegangen), hat es sich herausgestellt, daß dieses Oberflächen-Mittel selber tödlich wirkt.
Herr Lynas kann die Arbeiten überprüfen, die an der Universität Pittsburgh dazu durchgeführt worden sind, wie Roundup Amphibien tötet – nicht, daß er sich notwendigermaßen um Amphibien kümmern sollte. Allerdings bin ich sicher, daß er aufgrund seiner Ausbildung in Geschichte das Bild verstehen wird, das sich hier einstellen will, nämlich das der Kanarienvögel von Bergwerks-Arbeitern {die diese Tiere nutzten, um ständig sicher zu sein, ob die Luft für sie selber sauber ist}.
Und wenn es seine Forschung auf die Molekular-Biologie ausdehnt, wird er Dinge entdecken wie Epistase, polygenetic inheritence {deutsch: vererbare Merkmale, die nicht von einem einzelnem Gen, sondern von vielen Genen abhängen}, Linkage, Promotoren {deutsch: das sind Gen- Sequenzen, die ein Gen quasi einschalten sollen}, Transposons {deutsch: Gene, die u. a. innerhalb eines Genoms die Orte wechseln oder sich z. B. vervielfachen können} sowie eine große Menge an weiteren manchmal rätselhaften Komplikationen, von denen wir bis zum jetzigen Zeitpunkt verstehen, daß sie von zentraler Bedeutung für das Genom eines jeden Lebewesens sind (und vielleicht wird er dann die Bedeutung dieser 10-Dollar-Worte erfahren, die er anscheinend benutzt ohne sie zu verstehen, wie etwa Mutagenese und Gen-Fluss).
Und er wird erkennen, dass es zunächst einmal nicht möglich ist, nur eine einzelne Sache für sich alleine zu machen (z. B. ein Stück DANN in ein riesiges Genom einzusetzen). Denn das Genom ist, wie es der Genetiker Richard Lewontin formuliert hat, ein Öko-System.
Und wir alle wissen, was geschehen kann, wenn man das versucht und z. B. eine einzelne Spezies in ein Öko-System neu einbringt. Gewöhnlich passiert nichts, und das kann natürlich zu einer selbstgefälligen Haltung verleiten.
Gelegentlich jedoch hat die Einführung einer neuen Art katastrophale Auswirkungen. Einige Such-Ergebnisse bei google zu diesem Thema, die das erhellen, sind Kudzu, Brown- Snake, Zuckerrohr-Kröte, Nil-Barsch (und es gibt viele weitere Treffer).
Falls sich Genome wie Öko-Systeme verhalten, dann gibt es ganz und gar keinen Anlaß dafür, davon auszugehen, daß sich nicht gleichermaßen Störungen ereignen können, und die wenigen Wissenschaftler, die gegenüber diesen Komplikationen unbewußt bleiben, müssen ihre Universitäts-Ausbildung mit einem Kursus zu komplexen Systemen auffrischen.
Das alles gehört zu den Dingen, die Mark Lynas lernen könnte, wenn er seine fortgeschrittenen Studien in Wissenschaft weiter verfolgt. Aber ich kann es wirklich nicht erwarten, bis er dann das Thema Evolution entdeckt.
Als eine Gruppe von Wissenschaftlern sich auf die Untersuchungen zu einer einzigen bestimmten Pflanzenart verließen (ihr botanischer Name ist Arabidopsis), um die Möglichkeit der Entstehung (Evolution) von Resistenzen zu erforschen, schlußfolgerten sie, daß die Resistenz-Entwicklung durch ihre Roundup-Ready-Pflanzen {generell} so viel Zeit bräuchte, daß dieses Risiko keine Rolle spielen würde.
Das wird eine großartige Lektion für Mark sein, wenn er verstehen lernt, was bei solch einer Beweisführung falsch ist, denn wir wissen jetzt (und wir verstehen ziemlich gut warum, obwohl es Kompliziert ist!), daß mehr als 20 Arten von Pflanzen bereits eine Resistenz gegenüber Roundup entwickelt haben. Und auch die anderen Gen-Pflanzen {neben den Herbizid-resistenten GVO, also die insektizid wirkenden} Bt-Pflanzen, von denen man angenommen hatte, daß sie den Pestizid-Gebrauch verringern würden, haben tatsächlich Auswirkungen auf die Umwelt, und zwar keine guten.
Rund um den Globus sind Bauern gezwungen weitere Insektizide anzuwenden, weil viele der Haupt-Schädlinge Resistenzen auf das Bt-Toxin entwickelt haben. Und genau das Toxin, das von armen Bauern (und auch sogar im Organischen Anbau) auf eine fachgerechte Art {ehemals} verwendet wurde, ist jetzt nutzlos.1 Wenn Mark Lynas bei seiner Ausbildung schließlich zu den quantitativen Aspekten gelangt, werden ihm einige wirklich erstaunliche Zahlen auffallen.
Wie es so viele Menschen bereits in der Vergangenheit angemerkt haben, muß bei der Beurteilung einer neuen Technologie die fundamentale Frage gestellt werden:
----„Welches Problem soll diese Technologie eigentlich lösen?“
Mark scheint auf naive Weise das pro-GVO-Argument akzeptiert zu haben, daß wir die Produktion steigern müssen, um die Welt zu ernähren. Mit ein bißchen „wissenschaftlicher“ Untersuchung von Beweismaterialien (übrigens ist die Evidenz ein Konzept, auf dem alle Wissenschaftler bauen) wird er entdecken, daß laut Aussage vieler Berichte die Aufzeichnungen zu GVO bislang nicht gerade hoffnungsvoll stimmen. 1 Gemeint ist eine wässrige Spritzmittel-Lösung, die die entsprechenden Bt-Bodenbakterien, bacillus thuringiensis enthielt, von denen die Bt-Gifte ursprünglich gebildet wurden und die nur kurzzeitig bei Bedarf eingesetzt wurden. Solche eine ins Freie und auf Pflanzen ausgebrachte Lösung mit natürlichen Bakterien, bzw. deren Giftstoffe sind im Freiland vielfältigen Zersetzungsprozessen unterworfen.
In einer Bt-Genpflanze jedoch werden die teils gentechnisch „optimierten“, d. h. unter anderem:
aggressiver und stabiler konstruierten und synthetischen Bt-Gifte, ununterbrochen produziert, es gibt Schätzungen, daß dadurch mindestens die 3.000 fache Menge als bei einer temporären Anwendung mit dem ehemaligen Spritzmittel auf den Acker gelangt.
Noch bemerkenswerter aber ist, daß diese GV-Bt-Gifte nicht durch Umwelt-Einflüsse von den Pflanzen abgespült oder zersetzt und abgebaut werden. Sie sind nämlich in den Pflanzen und selbstverständlich in den Pflanzen-Produkten, wie den Mais-Körner etc. als fester Inhaltsstoff enthalten, und das bleiben sie dann auch, bis sie auf unsere Teller oder in den Futtertrögen der Tiere für unsere tierisch erzeugten Lebensmittel und daraufhin in unsere Bäuche landen.
Bis heute ist nicht einmal annähernd eine wissenschaftliche Untersuchung auf gesundheitliche Risiken durch die Aufnahme solcher GV-Bt-Gifte und ihre Ausbreitung und ihre eventuelle Verstoffwechselung in den Körpern von uns Menschen begonnen worden – (Anmerkg. durch GenAG).
Laut einer umfangreichen Untersuchung durch die Gruppe der Union Besorgter Wissenschaftler, Union of Concerned Scientists, ist die Beweislage kärglich, daß durch GVOs die Produktion gesteigert würde. Offensichtlich erhöht sich der Profit enorm, also der Profit für die Unternehmen, die das Saatgut sowie die anderen Mittel liefern, die Teil ihres Technologie-Paketes sind (und das, falls wir wirklich ehrlich sein wollen, ist doch die Hauptsache!), die Produktion oder die Produktivität jedoch ist doch in etwa so hoch wie bei den nicht gentechnisch veränderten Sorten.
Tatsächlich überrascht das nicht, weil Konzerne wie Monsanto sich in erster Linie niemals um die Produktionshöhe gekümmert haben, das war nur Public Relation (Werbung), damit gutgläubige Menschen das Argument akzeptieren, die Welt brauche GVOs.
Was Monsanto tatsächlich wollte, das war
---1) Kontrolle über die Versorgung mit Saatgut und
---2) den Absatz ihres Hauptproduktes , das Roundup.
Und hierbei war Monsanto immens erfolgreich, zumindest in den USA. Deswegen begrüße ich schließlich, daß Herr Mark Lynas die Wissenschaft entdeckt. Und in der Tat empfehle ich jedermann, der sie noch nicht für sich „entdeckt“ hat, es ihm nach zu tun. Es ist eine wirklich erstaunliche Art, auf die Welt zu schauen, die uns begleitet, seitdem Galileo die Mächtigen gezwungen hat, die Fakten wahrzunehmen. Das könnte einen daran erinnern, daß die Kirche damals ähnlich wie jetzt Monsanto reagierte, und man könnte ebenso die Ohren verschließen und Krawall schlagen, wenn einem Fakten präsentiert werden, und man könnte den Überbringer dieser Tatsachen angreifen.
______________________________________Original: “Professor John Vandermeer challenges environmentalist Mark Lynas on GMOs”, veröffentlicht am 22.01.2013
Übersetzung des beinahe gesamten Artikels plus Fußnote &{ Anmerkugen} durch GenAG/attac-Bielefeld
- Text mit Bitte um Verteilung & zur freien Verfügung -
Anmerkung von Felix Staratschek zum verweiß auf Galileo:
Es war weniger der Fehler der Kirche, dass diese die Aussagen von Galileo nicht anerkannte, sondern der, dass diese mit Gewalt drohte. es ist einfach ein Faktum, dass Galileo das heleozentrische Weltbild nicht beweisen konnte, weil Effkete nicht eintrafen, die bei den damals gängigen Vorstellungen von der Größe des Universums hätten eintreten müssen. Diese Effekte gibt es sogar, die können aber erst mit modernen Messgeräten aufgezeichnet werden, weil durch die reale Größe des Universums die Änderung der Erdperspektive zu den Sternen bei der Drehung um die Sonne nur minimal ist. Das ausbleiben dieses Perpektivenwechsels, der notwendiger Weise bei einem heliozentrischen Sonnensystem auftreten muss, konnte Galileo nicht erklären.
…. Die Nachricht über den Wandel von Herrn Mark Lynas (zum GVO-Befürworter) ist in Windeseile um die Welt gegangen. Ein böser Bub, der plötzlich das Licht erblickt und sich jetzt in Weiß kleidet. Seine Konversion war so vollständig, daß die Evangelisten rund um den Globus gut daran täten, für sich die Geheimnisse seiner Botschaften herauszufinden. Und sein Wechsel ereignete sich zu einem für das industrielle Agrar-System überaus günstigen Zeitpunkt, da es weltweit unter Beschuss geraten war durch Menschen, die versuchen Druck für eine nachhaltigere Landwirtschaft zu machen.
Aber der politische Fallout, so negativ er unglücklicherweise ist, wird nachlassen.. Es gibt in dieser Angelegenheit jedoch etwas anderes, das wir alle begrüßen sollten. Ich lehre Wissenschaft (Biologie) an der Universität von Michigan, und als ein Lehrender der Wissenschaft kann ich nicht anders als darüber erfreut zu sein, wenn jemand behauptet:
„Ich habe die Wissenschaft entdeckt“.
Das ist großartig. Und Mark`s Entdeckung scheint so kindhaft unschuldig zu sein, wie ich selbst es war, als ich die Wissenschaft in meinen jüngeren Jahren an der High Scholl entdeckte. Im Gegensatz zu dem, was manche seiner Kritiker sagen, begrüße ich seinen Wandel und möchte ihn antreiben, seine Ausbildung fortzusetzen. Das Problem ist natürlich, daß eine neue (anfängliche) Entdeckung wie diese zu allen möglichen Arten von Eindrücken führen kann, die sich bei einem weiteren Studium dann als irreführend und manchmal als falsch herausstellen.
Das Problem ist, daß auf diesem ersten elementaren Level, alle wissenschaftlichen Lehrer die Dinge sehr vereinfachen, hierbei annähernde Metaphern und vereinfachende Diagramme benutzen beim Versuch, ihre Studenten dahin zu kriegen, einige ziemlich komplexe Ideen zu verstehen. Was man daran anschließend Schritt für Schritt an der graduierten Schule für den Abschluß lernt, ist dann ein Kompendium voller Komplikationen.
Mark Lynas hat jetzt die Wissenschaft entdeckt, und es liegt jetzt an uns allen, ihn zu ermutigen, seinen Lehrgang fortzusetzen. Ich vermute, dass einiges, was er dann dabei herausfinden wird, nicht gut mit seinen momentanen Einblicken zusammen passen wird. Aber wir können nur hoffen, daß sein jungendlicher Enthusiasmus für Wissenschaft als einer Ideologie auch für ein ernsthaftes Studium der wissenschaftlichen Komplikationen ausreicht. Wir können nur hoffen, daß er nicht nur einer jener Konvertierten ist, die öffentliche Aufmerksamkeit erheischen und sich hierbei geschickt einer bezwingenden Politik bedienen in der Art von: „Ich war einmal gegen X – aber jetzt liebe ich es (und übrigens macht das für mich auch grundlegend viel mehr Sinn, dafür zu sein).“
Mark hat die Biologie der High School entdeckt. Jetzt wird es Zeit für ihn, das College zu besuchen.
Zu den Dingen, die er dann entdecken könnte, gehört z. B. das endokrine System. Es ist von ziemlicher Bedeutung für unser Leben und die Wissenschaft hat gezeigt, daß dieses System von
einer großen Bandbreite an Molekülen „gestört“ werden kann. Manchmal sind das natürlich vorkommende Moleküle, doch häufig sind sie Teil von chemischen Cocktails, die gewöhnlich in der industriellen Landwirtschaft angewandt werden.
Mark Lynas wird dann entdecken, daß eine Menge wissenschaftlicher Studien Glyphosat (aktiver Bestandteil in Monsanto`s Roundup) mit der Störung des endokrinen Systems in Verbindung bringt, und er wird realisieren, daß solche Störungen des Hormonsystems manchmal zu negativen Folgen führen können, wie Geburts-Defekten (oder: Missbildungen von Neugeborenen) oder Krebs und - ich kann es gar nicht erwarten, seine Reaktion darauf mitzukriegen – zu den gut bekannten Auswirkungen auf die männlichen Geschlechtorgane, die Penisse.
Und im Unterrichtsfach Ökologie könnte er herausfinden, daß Abbauprodukte von großen Molekülen für Jahrzehnte und sogar Hunderte von Jahren in der Umwelt überdauern können.
Und in seinem Physiologie-Lehrgang wird er entdecken, daß kleine Mengen an Substanzen ziemlich große Folgen haben können.
Als Beispiel nenne ich hier das Roundup. Das ist ein kommerzielles Produkt, dessen aktiver Inhaltsstoff Glyphosat ist, das aber zusätzlich andere Chemikalien enthält, die seine Wirkung verstärken sollen.
Besonders eine Chemikalie wird hinzu gegeben, die als Oberflächen-Benetzungs-Mittel fungiert und sicher stellt, daß die Flüssigkeit, die das Roundup enthält, an der Pflanze haften bleibt, die mit dem Herbizid angegriffen wird. Selbst wenn Glyphosat für die Umwelt vollkommen gutartig wäre (was es nicht ist, aber für unsere Argumentation an dieser Stelle sei einmal davon ausgegangen), hat es sich herausgestellt, daß dieses Oberflächen-Mittel selber tödlich wirkt.
Herr Lynas kann die Arbeiten überprüfen, die an der Universität Pittsburgh dazu durchgeführt worden sind, wie Roundup Amphibien tötet – nicht, daß er sich notwendigermaßen um Amphibien kümmern sollte. Allerdings bin ich sicher, daß er aufgrund seiner Ausbildung in Geschichte das Bild verstehen wird, das sich hier einstellen will, nämlich das der Kanarienvögel von Bergwerks-Arbeitern {die diese Tiere nutzten, um ständig sicher zu sein, ob die Luft für sie selber sauber ist}.
Und wenn es seine Forschung auf die Molekular-Biologie ausdehnt, wird er Dinge entdecken wie Epistase, polygenetic inheritence {deutsch: vererbare Merkmale, die nicht von einem einzelnem Gen, sondern von vielen Genen abhängen}, Linkage, Promotoren {deutsch: das sind Gen- Sequenzen, die ein Gen quasi einschalten sollen}, Transposons {deutsch: Gene, die u. a. innerhalb eines Genoms die Orte wechseln oder sich z. B. vervielfachen können} sowie eine große Menge an weiteren manchmal rätselhaften Komplikationen, von denen wir bis zum jetzigen Zeitpunkt verstehen, daß sie von zentraler Bedeutung für das Genom eines jeden Lebewesens sind (und vielleicht wird er dann die Bedeutung dieser 10-Dollar-Worte erfahren, die er anscheinend benutzt ohne sie zu verstehen, wie etwa Mutagenese und Gen-Fluss).
Und er wird erkennen, dass es zunächst einmal nicht möglich ist, nur eine einzelne Sache für sich alleine zu machen (z. B. ein Stück DANN in ein riesiges Genom einzusetzen). Denn das Genom ist, wie es der Genetiker Richard Lewontin formuliert hat, ein Öko-System.
Und wir alle wissen, was geschehen kann, wenn man das versucht und z. B. eine einzelne Spezies in ein Öko-System neu einbringt. Gewöhnlich passiert nichts, und das kann natürlich zu einer selbstgefälligen Haltung verleiten.
Gelegentlich jedoch hat die Einführung einer neuen Art katastrophale Auswirkungen. Einige Such-Ergebnisse bei google zu diesem Thema, die das erhellen, sind Kudzu, Brown- Snake, Zuckerrohr-Kröte, Nil-Barsch (und es gibt viele weitere Treffer).
Falls sich Genome wie Öko-Systeme verhalten, dann gibt es ganz und gar keinen Anlaß dafür, davon auszugehen, daß sich nicht gleichermaßen Störungen ereignen können, und die wenigen Wissenschaftler, die gegenüber diesen Komplikationen unbewußt bleiben, müssen ihre Universitäts-Ausbildung mit einem Kursus zu komplexen Systemen auffrischen.
Das alles gehört zu den Dingen, die Mark Lynas lernen könnte, wenn er seine fortgeschrittenen Studien in Wissenschaft weiter verfolgt. Aber ich kann es wirklich nicht erwarten, bis er dann das Thema Evolution entdeckt.
Als eine Gruppe von Wissenschaftlern sich auf die Untersuchungen zu einer einzigen bestimmten Pflanzenart verließen (ihr botanischer Name ist Arabidopsis), um die Möglichkeit der Entstehung (Evolution) von Resistenzen zu erforschen, schlußfolgerten sie, daß die Resistenz-Entwicklung durch ihre Roundup-Ready-Pflanzen {generell} so viel Zeit bräuchte, daß dieses Risiko keine Rolle spielen würde.
Das wird eine großartige Lektion für Mark sein, wenn er verstehen lernt, was bei solch einer Beweisführung falsch ist, denn wir wissen jetzt (und wir verstehen ziemlich gut warum, obwohl es Kompliziert ist!), daß mehr als 20 Arten von Pflanzen bereits eine Resistenz gegenüber Roundup entwickelt haben. Und auch die anderen Gen-Pflanzen {neben den Herbizid-resistenten GVO, also die insektizid wirkenden} Bt-Pflanzen, von denen man angenommen hatte, daß sie den Pestizid-Gebrauch verringern würden, haben tatsächlich Auswirkungen auf die Umwelt, und zwar keine guten.
Rund um den Globus sind Bauern gezwungen weitere Insektizide anzuwenden, weil viele der Haupt-Schädlinge Resistenzen auf das Bt-Toxin entwickelt haben. Und genau das Toxin, das von armen Bauern (und auch sogar im Organischen Anbau) auf eine fachgerechte Art {ehemals} verwendet wurde, ist jetzt nutzlos.1 Wenn Mark Lynas bei seiner Ausbildung schließlich zu den quantitativen Aspekten gelangt, werden ihm einige wirklich erstaunliche Zahlen auffallen.
Wie es so viele Menschen bereits in der Vergangenheit angemerkt haben, muß bei der Beurteilung einer neuen Technologie die fundamentale Frage gestellt werden:
----„Welches Problem soll diese Technologie eigentlich lösen?“
Mark scheint auf naive Weise das pro-GVO-Argument akzeptiert zu haben, daß wir die Produktion steigern müssen, um die Welt zu ernähren. Mit ein bißchen „wissenschaftlicher“ Untersuchung von Beweismaterialien (übrigens ist die Evidenz ein Konzept, auf dem alle Wissenschaftler bauen) wird er entdecken, daß laut Aussage vieler Berichte die Aufzeichnungen zu GVO bislang nicht gerade hoffnungsvoll stimmen. 1 Gemeint ist eine wässrige Spritzmittel-Lösung, die die entsprechenden Bt-Bodenbakterien, bacillus thuringiensis enthielt, von denen die Bt-Gifte ursprünglich gebildet wurden und die nur kurzzeitig bei Bedarf eingesetzt wurden. Solche eine ins Freie und auf Pflanzen ausgebrachte Lösung mit natürlichen Bakterien, bzw. deren Giftstoffe sind im Freiland vielfältigen Zersetzungsprozessen unterworfen.
In einer Bt-Genpflanze jedoch werden die teils gentechnisch „optimierten“, d. h. unter anderem:
aggressiver und stabiler konstruierten und synthetischen Bt-Gifte, ununterbrochen produziert, es gibt Schätzungen, daß dadurch mindestens die 3.000 fache Menge als bei einer temporären Anwendung mit dem ehemaligen Spritzmittel auf den Acker gelangt.
Noch bemerkenswerter aber ist, daß diese GV-Bt-Gifte nicht durch Umwelt-Einflüsse von den Pflanzen abgespült oder zersetzt und abgebaut werden. Sie sind nämlich in den Pflanzen und selbstverständlich in den Pflanzen-Produkten, wie den Mais-Körner etc. als fester Inhaltsstoff enthalten, und das bleiben sie dann auch, bis sie auf unsere Teller oder in den Futtertrögen der Tiere für unsere tierisch erzeugten Lebensmittel und daraufhin in unsere Bäuche landen.
Bis heute ist nicht einmal annähernd eine wissenschaftliche Untersuchung auf gesundheitliche Risiken durch die Aufnahme solcher GV-Bt-Gifte und ihre Ausbreitung und ihre eventuelle Verstoffwechselung in den Körpern von uns Menschen begonnen worden – (Anmerkg. durch GenAG).
Laut einer umfangreichen Untersuchung durch die Gruppe der Union Besorgter Wissenschaftler, Union of Concerned Scientists, ist die Beweislage kärglich, daß durch GVOs die Produktion gesteigert würde. Offensichtlich erhöht sich der Profit enorm, also der Profit für die Unternehmen, die das Saatgut sowie die anderen Mittel liefern, die Teil ihres Technologie-Paketes sind (und das, falls wir wirklich ehrlich sein wollen, ist doch die Hauptsache!), die Produktion oder die Produktivität jedoch ist doch in etwa so hoch wie bei den nicht gentechnisch veränderten Sorten.
Tatsächlich überrascht das nicht, weil Konzerne wie Monsanto sich in erster Linie niemals um die Produktionshöhe gekümmert haben, das war nur Public Relation (Werbung), damit gutgläubige Menschen das Argument akzeptieren, die Welt brauche GVOs.
Was Monsanto tatsächlich wollte, das war
---1) Kontrolle über die Versorgung mit Saatgut und
---2) den Absatz ihres Hauptproduktes , das Roundup.
Und hierbei war Monsanto immens erfolgreich, zumindest in den USA. Deswegen begrüße ich schließlich, daß Herr Mark Lynas die Wissenschaft entdeckt. Und in der Tat empfehle ich jedermann, der sie noch nicht für sich „entdeckt“ hat, es ihm nach zu tun. Es ist eine wirklich erstaunliche Art, auf die Welt zu schauen, die uns begleitet, seitdem Galileo die Mächtigen gezwungen hat, die Fakten wahrzunehmen. Das könnte einen daran erinnern, daß die Kirche damals ähnlich wie jetzt Monsanto reagierte, und man könnte ebenso die Ohren verschließen und Krawall schlagen, wenn einem Fakten präsentiert werden, und man könnte den Überbringer dieser Tatsachen angreifen.
______________________________________Original: “Professor John Vandermeer challenges environmentalist Mark Lynas on GMOs”, veröffentlicht am 22.01.2013
Übersetzung des beinahe gesamten Artikels plus Fußnote &{ Anmerkugen} durch GenAG/attac-Bielefeld
- Text mit Bitte um Verteilung & zur freien Verfügung -
Anmerkung von Felix Staratschek zum verweiß auf Galileo:
Es war weniger der Fehler der Kirche, dass diese die Aussagen von Galileo nicht anerkannte, sondern der, dass diese mit Gewalt drohte. es ist einfach ein Faktum, dass Galileo das heleozentrische Weltbild nicht beweisen konnte, weil Effkete nicht eintrafen, die bei den damals gängigen Vorstellungen von der Größe des Universums hätten eintreten müssen. Diese Effekte gibt es sogar, die können aber erst mit modernen Messgeräten aufgezeichnet werden, weil durch die reale Größe des Universums die Änderung der Erdperspektive zu den Sternen bei der Drehung um die Sonne nur minimal ist. Das ausbleiben dieses Perpektivenwechsels, der notwendiger Weise bei einem heliozentrischen Sonnensystem auftreten muss, konnte Galileo nicht erklären.
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