Die Kultur des gesenkten Blicks - Fakten und Folgen des Dauerkonsums elektronischer Medien
iDAF - Institut für Demographie, Allgmeinwohl und Familie e.V.
Nachricht und Zitat 4 / 2018
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Zitat des Monats, 2018 / 4
„Bitte nur in ganz verantwortlicher Weise“ – Naiv und fahrlässig?
Sie können Pubertierenden, die gerade anfangen, in alle möglichen Dinge sich einzudenken und einzufühlen, nicht sagen, benutz' Dein Smartphone aber bitte nur in ganz verantwortlicher Weise. Wir wissen doch, wie wir Menschen uns verhalten, und Sex and Crime ist nach wie vor der Hauptinhalt des Internet. Kein 14-Jähriger wird da nicht herangehen und hingucken wollen, 14-Jährige sind so, genauso wie Dreijährige, die Süßes mögen. Das ist unsere Biologie, die ist so. Eine große Blikk-Studie aus dem letzten Jahr, von deutschen Kinderärzten an 6000 Personen gemacht, hat ergeben, dass die 13-Jährigen sich durch das Smartphone überfordert fühlen und dass sie die Kontrolle darüber verlieren, weil das Smartphone suchterzeugende Eigenschaften hat. In Korea gibt es über 30 Prozent Süchtige, wir sind bei acht Prozent. Da können wir nicht sagen, geh verantwortungsvoll damit um!“
Prof. Dr. Manfred Spitzer, Psychotherapeut und Hirnforscher in Ulm, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 8.März 2018.
Nachricht des Monats, 2018 / 4
Die Kultur des gesenkten Blicks
Fakten und Folgen des Dauerkonsums elektronischer Medien
Die 12- bis 19-jährigen in Deutschland sind täglich drei Stunden und 20 Minuten online. Vor zehn Jahren war es mit 99 Minuten nicht mal die Hälfte. Insgesamt verbringen die Jugendlichen mit der Nutzung von Massenmedien, also Radio, Fernsehen, Zeitungen plus Smartphone knapp acht Stunden pro Tag. 1970 waren es drei Stunden und 27 Minuten. Das sind Ergebnisse der sogenannten Jim-Studie aus dem Jahr 2016. Nach einer in diesem Jahr veröffentlichten Studie der DAK und des Hamburger Uni-Klinikums verbringen die 12- bis 17-jährigen im Schnitt fünf Stunden mit WhatsApp, Facebook, Instagram und anderen sogenannten sozialen Medien. Die Nutzungszeiten für Computerspiele kommen noch hinzu. Andere Studien bestätigen den steigenden Konsum des Internets.
Die Folgen sind bedenklich. Junge Menschen treffen weniger Freunde und verlassen seltener das Haus. Sie stehen im Dauerkontakt mit gleichaltrigen Online-Freunden. Man nennt sie POPC, permanently online – permanently connected. Mittlerweile sind nach der Hamburger Studie 2,6 Prozent der POPC-Jugendlichen von den sozialen Medien abhängig, der Ulmer Hirn- und Bindungsforscher, Manfred Spitzer, spricht von acht Prozent der Gesamtbevölkerung. Jugendpsychologen und –psychiater bestätigen, daß die Internetsucht heute die häufigste Krankheit ist, mit der sie in ihren Praxen zu tun haben. Häufig geht sie mit anderen Krankheiten einher, man spricht vom ISO-Syndrom. I steht für Internetsucht, S für Schulschwänzen, O für Obesitas, krankhaftes Übergewicht. Die Betroffenen haben ein Symptom und die beiden anderen kommen dann dazu, meist steht am Anfang die Internetsucht. Sie zeigt sich auch in einer Nomophobie, der Angst ohne Handy zu sein. An dieser Angst leiden nach einer PISA-Studie 41 Prozent der Digital Natives, also jene Generation, die mit Online-Geräten aufgewachsen ist.
Auch ohne Sucht sind die Folgen gravierend. Die „Kultur des gesenkten Blicks“ führt zu Konzentrationsmängeln und zu einer geringen Aufmerksamkeitsspanne. Vor sieben Jahren nutzten 27 Prozent der Bevölkerung ein Smartphone, heute sind es 81 Prozent und bei den Jugendlichen haben 95 Prozent ein Smartphone, auf das sie alle sieben Minuten draufschauen. Nach Angaben des Hirnforschers Professor Manfred Spitzer in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sinken die Schulleistungen der Schüler um 20 Prozent, wenn man WLan und Computer an Schulen einführt. Nicht nur Schulleistungen leiden darunter, auch ganz elementare Fähigkeiten wie das Lesen. Jeder fünfte Viertklässler verfehlt die Mindeststandards im Bereich Lesen. Das betrifft, so das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), vor allem Jugendliche in Großstädten, überproportional ist der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Entscheidend ist aber nicht die Herkunft, sondern das soziale Setting (Milieu, Medienkonsum in der Familie, Stellenwert von Büchern, Haltung gegenüber Bildung und Bildungssystem). Vietnamesische Schüler zum Beispiel lernen schneller und besser lesen als deutsche, islamisch geprägte Schüler haben hier deutliche Nachteile.
Diese Daten sind kein deutsches Phänomen. Weltweit hat sich die „screen-time“, die Zeit, in der Jugendliche auf einen großen oder kleinen Bildschirm schauen, in den letzten zwanzig Jahren sprunghaft erhöht. Diese Zeit fehlt für die vor allem in jungen Jahren notwendige Bewegung. Wer lange vor dem Bildschirm sitzt, wird dick. Und, so hat jetzt eine Studie der amerikanischen San Diego State University ergeben, er wird auch unglücklich. Die Studie mit mehr als einer Million Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren konnte einen engen Zusammenhang erkennen zwischen Medienkonsum und Wohlbefinden. Mit anderen Worten: Die Laune sinkt proportional zur Dauer des Medienkonsums, wer lange glotzt wird übellaunig und aggressiv. Das ist zwar nicht neu, schon in den achtziger Jahren haben Untersuchungen an amerikanischen Kindern einen Zusammenhang zwischen der Fernsehdauer und dem Ausmaß der Übergewichtigkeit festgestellt. Dabei wird das Übergewicht sowohl durch die verminderte körperliche Aktivität als auch durch den häufigeren Verzehr von Snacks während des Fernsehens gefördert. Aber inzwischen ist das Phänomen epidemisch. Seit dieser Zeit hat sich nach der Weltgesundheitsorganisation die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit starkem Übergewicht weltweit verzehnfacht, in Deutschland sind nach dem Robert-Koch-Institut 19 Prozent der elf- bis 17-jährigen übergewichtig und zehn Prozent krankhaft dick.
Was tun? Bei deutlichen Krankheitssymptomen (Nomophobie) wie dem Starren auf das Handy alle drei, vier Minuten, sollten Eltern sich ernsthaft Gedanken machen, ob sie nicht psychologische Hilfe suchen. Auf jeden Fall muss der Medienkonsum eingeschränkt werden. Viele Pädagogen, Psychologen und Verhaltensforscher empfehlen eine „screen-time“ von weniger als zwei Stunden pro Tag, so die Psychologie-Professorin J.M. Twenge, die die Studie der San Diego-University leitete. Zu erhöhen sei dagegen die Zeit für Sport und für Treffen mit Freunden ohne Handy oder Computerspiel. Schon früher hat eine Freiburger Gruppe von Verhaltensforschern empfohlen, daß Kinder und Jugendliche mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen kein Fernsehen sehen sollten. Bewegte Bilder gehen im Kopf nach und beeinträchtigen den Schlaf. Das gilt freilich auch für das Smartphone, dessen Licht allein schon das Hirn fesselt. Was aber tun in dieser Zeit? Die Antwort heißt: Lesen. Auf Papier lesen, nicht auf dem Bildschirm. Das Gehirn verarbeitet anders, memorisiert anders. Ideal ist, vor allem bei kleinen Kindern, das Vorlesen. Die Kommunikation ist tiefer und persönlicher. Bei größeren Kindern, etwa neun und zehn Jahre, stärkt es das Selbstvertrauen des Kindes, wenn es selber vorliest. Bücherlesen ist auf jeden Fall eine Alternative, die sich bewährt hat. Diese Bewährung steht bei der Screen-time und bei der Digitalisierung der Schulen noch aus.
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Prof. Dr. Manfred Spitzer, Psychotherapeut und Hirnforscher in Ulm, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 8.März 2018.
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Fakten und Folgen des Dauerkonsums elektronischer Medien
Die 12- bis 19-jährigen in Deutschland sind täglich drei Stunden und 20 Minuten online. Vor zehn Jahren war es mit 99 Minuten nicht mal die Hälfte. Insgesamt verbringen die Jugendlichen mit der Nutzung von Massenmedien, also Radio, Fernsehen, Zeitungen plus Smartphone knapp acht Stunden pro Tag. 1970 waren es drei Stunden und 27 Minuten. Das sind Ergebnisse der sogenannten Jim-Studie aus dem Jahr 2016. Nach einer in diesem Jahr veröffentlichten Studie der DAK und des Hamburger Uni-Klinikums verbringen die 12- bis 17-jährigen im Schnitt fünf Stunden mit WhatsApp, Facebook, Instagram und anderen sogenannten sozialen Medien. Die Nutzungszeiten für Computerspiele kommen noch hinzu. Andere Studien bestätigen den steigenden Konsum des Internets.
Die Folgen sind bedenklich. Junge Menschen treffen weniger Freunde und verlassen seltener das Haus. Sie stehen im Dauerkontakt mit gleichaltrigen Online-Freunden. Man nennt sie POPC, permanently online – permanently connected. Mittlerweile sind nach der Hamburger Studie 2,6 Prozent der POPC-Jugendlichen von den sozialen Medien abhängig, der Ulmer Hirn- und Bindungsforscher, Manfred Spitzer, spricht von acht Prozent der Gesamtbevölkerung. Jugendpsychologen und –psychiater bestätigen, daß die Internetsucht heute die häufigste Krankheit ist, mit der sie in ihren Praxen zu tun haben. Häufig geht sie mit anderen Krankheiten einher, man spricht vom ISO-Syndrom. I steht für Internetsucht, S für Schulschwänzen, O für Obesitas, krankhaftes Übergewicht. Die Betroffenen haben ein Symptom und die beiden anderen kommen dann dazu, meist steht am Anfang die Internetsucht. Sie zeigt sich auch in einer Nomophobie, der Angst ohne Handy zu sein. An dieser Angst leiden nach einer PISA-Studie 41 Prozent der Digital Natives, also jene Generation, die mit Online-Geräten aufgewachsen ist.
Auch ohne Sucht sind die Folgen gravierend. Die „Kultur des gesenkten Blicks“ führt zu Konzentrationsmängeln und zu einer geringen Aufmerksamkeitsspanne. Vor sieben Jahren nutzten 27 Prozent der Bevölkerung ein Smartphone, heute sind es 81 Prozent und bei den Jugendlichen haben 95 Prozent ein Smartphone, auf das sie alle sieben Minuten draufschauen. Nach Angaben des Hirnforschers Professor Manfred Spitzer in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sinken die Schulleistungen der Schüler um 20 Prozent, wenn man WLan und Computer an Schulen einführt. Nicht nur Schulleistungen leiden darunter, auch ganz elementare Fähigkeiten wie das Lesen. Jeder fünfte Viertklässler verfehlt die Mindeststandards im Bereich Lesen. Das betrifft, so das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), vor allem Jugendliche in Großstädten, überproportional ist der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Entscheidend ist aber nicht die Herkunft, sondern das soziale Setting (Milieu, Medienkonsum in der Familie, Stellenwert von Büchern, Haltung gegenüber Bildung und Bildungssystem). Vietnamesische Schüler zum Beispiel lernen schneller und besser lesen als deutsche, islamisch geprägte Schüler haben hier deutliche Nachteile.
Diese Daten sind kein deutsches Phänomen. Weltweit hat sich die „screen-time“, die Zeit, in der Jugendliche auf einen großen oder kleinen Bildschirm schauen, in den letzten zwanzig Jahren sprunghaft erhöht. Diese Zeit fehlt für die vor allem in jungen Jahren notwendige Bewegung. Wer lange vor dem Bildschirm sitzt, wird dick. Und, so hat jetzt eine Studie der amerikanischen San Diego State University ergeben, er wird auch unglücklich. Die Studie mit mehr als einer Million Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren konnte einen engen Zusammenhang erkennen zwischen Medienkonsum und Wohlbefinden. Mit anderen Worten: Die Laune sinkt proportional zur Dauer des Medienkonsums, wer lange glotzt wird übellaunig und aggressiv. Das ist zwar nicht neu, schon in den achtziger Jahren haben Untersuchungen an amerikanischen Kindern einen Zusammenhang zwischen der Fernsehdauer und dem Ausmaß der Übergewichtigkeit festgestellt. Dabei wird das Übergewicht sowohl durch die verminderte körperliche Aktivität als auch durch den häufigeren Verzehr von Snacks während des Fernsehens gefördert. Aber inzwischen ist das Phänomen epidemisch. Seit dieser Zeit hat sich nach der Weltgesundheitsorganisation die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit starkem Übergewicht weltweit verzehnfacht, in Deutschland sind nach dem Robert-Koch-Institut 19 Prozent der elf- bis 17-jährigen übergewichtig und zehn Prozent krankhaft dick.
Was tun? Bei deutlichen Krankheitssymptomen (Nomophobie) wie dem Starren auf das Handy alle drei, vier Minuten, sollten Eltern sich ernsthaft Gedanken machen, ob sie nicht psychologische Hilfe suchen. Auf jeden Fall muss der Medienkonsum eingeschränkt werden. Viele Pädagogen, Psychologen und Verhaltensforscher empfehlen eine „screen-time“ von weniger als zwei Stunden pro Tag, so die Psychologie-Professorin J.M. Twenge, die die Studie der San Diego-University leitete. Zu erhöhen sei dagegen die Zeit für Sport und für Treffen mit Freunden ohne Handy oder Computerspiel. Schon früher hat eine Freiburger Gruppe von Verhaltensforschern empfohlen, daß Kinder und Jugendliche mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen kein Fernsehen sehen sollten. Bewegte Bilder gehen im Kopf nach und beeinträchtigen den Schlaf. Das gilt freilich auch für das Smartphone, dessen Licht allein schon das Hirn fesselt. Was aber tun in dieser Zeit? Die Antwort heißt: Lesen. Auf Papier lesen, nicht auf dem Bildschirm. Das Gehirn verarbeitet anders, memorisiert anders. Ideal ist, vor allem bei kleinen Kindern, das Vorlesen. Die Kommunikation ist tiefer und persönlicher. Bei größeren Kindern, etwa neun und zehn Jahre, stärkt es das Selbstvertrauen des Kindes, wenn es selber vorliest. Bücherlesen ist auf jeden Fall eine Alternative, die sich bewährt hat. Diese Bewährung steht bei der Screen-time und bei der Digitalisierung der Schulen noch aus.
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