Deutscher Bundestag, 8 Wahlperiode, 86. Sitzung,
Bonn, Donnerstag, den 20.April 1978
Dr. Herbert Gruhl, CDU/ CSU- Fraktion
Ich muss leider meine Abweichende Ansicht zum Energieprogramm der SPD/ FDP- Bundesregierung vortragen. Seit 1973 gibt es Energieprogramme. Die tatsächliche Entwicklung verläuft aber gegenteilig. Im ersten Programm waren
610 Millionen Tonnen Steinkohleneinheitem für 1985 vorgesehen und für 1977 bereits
444 Millionen Tonnen. Verbraucht wurden 1977 nur
369 Millionen Tonnen, also 75 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten weniger als prognostiziert. 1977 wurden sogar 9 Millionen Tonnen weniger als in den bisherigen Spitzenjahr 1973 verbraucht. Es ergibt sich, dass in den Jahren 1974 bis 1977 insgesamt 59 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten weniger verbraucht worden sind, als bei gleichbleibenden Einsatz zu erwarten gewesen wäre.
Das alles hindert die Bundesregierung nicht, weiterhin Programme auf der alten Basis der zu machen und es hindert die CDU/CSU- Opposition nicht, der Bundesregierung die Nichterfüllung ihrer Programme vorzuwerfen. Hierbei muss doch einmal erkannt werden, dass die Berechnungsmethoden völlig unsinnig sind.
Unter dem Zwang der tatsächlichen Entwicklung hat die Bundesregierung ihr Programm bereits dreimal nach unten revidiert.
Von 610 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten für 1985 ist sie inzwischen
auf 482 Millionen Tonnen zurückgegangen. Aber auch diese Zahl ist eine reine Illusion.
Inzwischen liegen viel gründlichere Berechnungen vor, so die des „Institutes für angewandte Systemanalyse und Prognose“ in Hannover unter Leitung von Professor Eduard Christian Kurt Pestel dem jetzigen niedersächsischen Wissenschaftsminister (CDU). Dort hat man sich endlich einmal die Mühe gemacht, die einzelnen Sparten der Wirtschaft auf den Energieverbrauch hin zu durchleuchten. Es stellte sich heraus, dass zwischen 1950 und 1974 von 19 Sparten der Wirtschaft nur 3 einen spezifisch (d.h. Auf die Produktionseinheit bezogenen) steigenden Energieeinsatz hatten, nämlich die Landwirtschaft mit dem Faktor 2,63, das Baugewerbe mit dem Faktor 2,20 und Wohnungen mit dem Faktor 4.67. Gerade in diesen Branchen sind aber keine wesentlichen Steigerungen mehr zu erwarten. In 14 Branchen lag der spezifische Energieverbrauch im Vergleich zwischen 1950 und 1974 weit unter dem Faktor 1.
Das Institut von Professor Pestel, dessen Untersuchungen ich hier nur im Ergebnis vortragen kann – sie erscheint demnächst - , kommt zu dem Ergebnis, dass 1985 der Energiebedarf der Bundesrepublik Deutschland bei 437 Millionen Tonnen liegen wird, also bereits 45 Millionen Tonnen oder rund 10% weniger, als jetzt die Bundesregierung in ihrem jetzigen Programm noch prognostiziert.
Darüber hinaus erklären diese Wissenschaftler, dass ihre Zahl eher noch zu hoch liege, weil sie dabei die Sättigung, besonders der privaten Haushalte, die an Zahl nicht mehr zunehmen, die technischen Einsparungen beim Energieeinsatz und die Sparwirkungen steigender Energiepreise zahlenmäßig nicht erfassen können.
Ich will mich heute nicht mit dem Sinn oder Unsinn des wirtschaftlichen Wachstums auseinandersetzen. Es muss hier aber gesagt werden, dass die Phrase, wirtschaftliches Wachstum sei mit Energiewachstum gekoppelt, unhaltbar ist. Dies haben mit wissenschaftlicher Gründlichkeit nun auch Werner Müller und Bernd Stoy in ihrem Buch „Entkoppelung“ nachgewiesen. Dieses wurde gerade in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom heutigen Tage besprochen. Da diese beiden Herren angestellte des Rheinisch- Westfälischen Elektrizitätswerks (RWE) sind, werden sich auch meine sehr verehrten Gegner mit ihnen beschäftigen müssen.
Diese Analytiker stellen schlicht fest, dass sich die Energieziffer in zehn Jahren halbieren werde, dass also 1% Wirtschaftswachstum nur noch 0,35% Energiewachstum erfordern und dieser Wert später in Richtung Null tendieren werde.
Die Diskussion der letzten Jahre ging ausschließlich um die Nachteile eines eventuellen Energiemangels. Es wird Zeit, endlich auch einmal die Nachteile eines Energieüberflusses auf Grund von falschen Prognosen darzustellen.
Müller und Stoy sagen dazu wörtlich:
„Die Bilanz einer Energiepolitik, die sich nur daran ausrichtet, das Wirtschaftswachstum nicht durch Energiemangel zu gefährden, hat zwei Seiten – selbst dann, wenn sie in dieser Hinsicht erfolgreich ist: Anscheinend ausreichende Energieversorgung auf der Haben- Seite, auf der Soll- Seite aber wachsende Importe, wachsende Energieverluste, Missachtung der Begrenztheit natürlicher Ressourcen.“
Sie sagen weiter:
Eine Energiepolitik, die sich an den höchstmöglichen Wunschvorstellungen eines künftig ausdenkbaren Bedarfes orientiert, ist nicht nur unzeitgemäß, sie kann auch zu gigantischen Fehlinvestitionen führen.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ FAZ schreib gestern, dass der Auslastungsgrad der deutschen Kernkraftwerke im Jahre 1977 bei 54% gelegen habe. Sie stehen sicherlich oft aus technischen Gründen still. Aber selbst die Befürworter werden nicht zugeben wollen, dass dafür nur technische Gründe maßgebend waren. Sie haben zum Teil auch stillgestanden, weil die Energie nicht gebraucht wurde. Diese Gefahr hat übrigens die Elektrizitätsversorgungsindustrie bereits erkannt. Sie redet zwar noch nicht darüber, aber sie handelt danach: Sie hat seit längerer zeit überhaupt kein neues Kraftwerk mehr beantragt.
„Die Zeit“ schreibt heute:
Es heißt wörtlich: Hätte man vor drei Jahren gebaut, dann
Nebenbei sind die Elektrizitätsversorgungsunternehmen natürlich bestrebt, die Schuld dafür den bösen Bürgerinitiativen zuzuschieben. Da werden dann Milchmädchenrechnungen aufgemacht, nach denen die Bürgerinitiativen einen Investitionsstau von über 40 Milliarden Deutsche Mark (DM) verursachten. In der vorigen Woche gab dann das Bundeswirtschaftsministerium bekannt, es seien nur 22 Milliarden DM. Auch diese Zahl, Herr Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP), ist ein Machwerk. Es bleiben in der Hauptsache die durch Gerichtsurteile gestoppten Kernkraftwerke. Dazu kann aber nur die Frage gestellt werden: Sind wir noch ein Rechtsstaat oder sind wir es nicht?
Der Herr Wirtschaftsminister sollte lieber einmal errechnen lassen, wie viele Arbeitsplätze durch Umweltschutzmaßnahmen geschaffen werden könnten, die er aber im trauten Verein der Wirtschaftslobby verhindert – wie übrigens der Bundeskanzler Helmut Schmidt selbst auch. Dafür werden wir heute noch mit dem Verkehrslärmschutzgesetz ein drastisches Beispiel bekommen.
Die Bürgerinitiativen setzen sich unter großen Opfern für die Zukunftsbelange ein. Sie dienen gewissen Kreisen als willkommener Prügelknabe, den man sogar für eine gescheiterte Wirtschaftspolitik verantwortlich machen will. Einige Finanzämter entziehen ihnen die Berechtigung zur Bescheinigung gemeinnütziger Spenden, was ein großer Skandal ist, weil die neuerdings auftauchenden Atom- Befürworter- Initiativen diese unversteuerten Spenden Kassieren dürfen. Dabei haben die doch schon dutzende von Millionen von Seiten der Unternehmen für ihre Propaganda zur Verfügung – und Bund und Länder fügten dem in den letzten Jahren auch noch einige Millionen aus Steuergeldern zu.
Darum fand ich es sehr unpassend, Herr Bundesforschungsminister Volker Hauff (SPD), dass Sie heute morgen in ihrer Ansprache die Bürgerinitiativen aufforderten, sie sollten doch einmal Werbung für Sparmaßnahmen machen. Diese Menschen, die aus ihren privaten Taschen die Groschen zusammen sammeln sollen mit einer Propaganda für Sparmaßnahmen antreten, während auf der anderen Seite die Elektrizitätsversorgungsindustrie nach wie vor Millionen für ihre Anzeigen ausgibt, in denen zum Energieverbrauch animiert wird. Das ist doch eine Zumutung, Sie sollten sich dies besser überlegen.
Statt die Gelder in dieser Weise zu verschwenden und auch die Atomprogramme zu finanzieren, sollten die öffentlichen Mittel besser für die Einsparung von Energie und die Förderung zukunftsträchtiger Energie eingesetzt werden. In dieser Hinsicht geschieht jetzt auch einiges, aber im Verhältnis wenig.
Müller und Stoy stellen in ihrer genannten Arbeit dar, dass allein für die Wärmepumpe zur Beheizung deutscher Wohnungen ein Markt von rund gerechnet 260 Milliarde DM zur Verfügung steht. Damit würden bedeutend mehr und sinnvollere Arbeitsplätze geschaffen, als mit dem Bau von 50 Kernkraftwerken.
Wenn man die Energieversorgung in der Zukunft sicherstellen will, dann darf man heute nicht nur daran denken, wie man zusätzlich zu Erdöl und Erdgas jetzt möglichst schnell auch das wenige Uran verbraucht. Man muss darüber Programme machen, mit welchen Brennstoff denn die Kraftfahrzeuge nach den Jahren 1990 oder 2000 angetrieben werden sollen, wenn das Erdöl zu Ende geht. Mit Uran ganz gewiss nicht.
Die enormen zusätzlichen Steigerungen der Energieverschwendung verlegt das Programm kurzerhand auf die Kernenergie: Im Jahr 2000 sollen rund 70 Großatomkraftwerke laufen. Die Realität sieht hingegen so aus, dass nicht einmal die Uranversorgung der gegenwärtig in Betrieb befindlichen Werke gesichert ist. Die internationale Lage und das neue Gesetz schaffen harte Fakten, die auch durch die neuerlichen Großmachtallüren der Bundesrepublik Deutschland nicht aus der Welt geschafft werden können. Diese Zukunftsaspekte werden von der deutschen Politik leider in verhängnisvoller weise vernachlässigt.
Darum geht auch das Energieprogramm sowohl von der Nachfrageseite als auch von der internationalen Angebotsseite für Primärbrennstoffe – und dazu gehört Uran – von nicht vorhandenen Voraussetzungen aus. Die Bundesregierung wäre am Besten beraten, wenn sie das Energieprogramm nochmals umgehend nach unten berichtigen würde.
Bonn, Donnerstag, den 20.April 1978
Dr. Herbert Gruhl, CDU/ CSU- Fraktion
Ich muss leider meine Abweichende Ansicht zum Energieprogramm der SPD/ FDP- Bundesregierung vortragen. Seit 1973 gibt es Energieprogramme. Die tatsächliche Entwicklung verläuft aber gegenteilig. Im ersten Programm waren
610 Millionen Tonnen Steinkohleneinheitem für 1985 vorgesehen und für 1977 bereits
444 Millionen Tonnen. Verbraucht wurden 1977 nur
369 Millionen Tonnen, also 75 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten weniger als prognostiziert. 1977 wurden sogar 9 Millionen Tonnen weniger als in den bisherigen Spitzenjahr 1973 verbraucht. Es ergibt sich, dass in den Jahren 1974 bis 1977 insgesamt 59 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten weniger verbraucht worden sind, als bei gleichbleibenden Einsatz zu erwarten gewesen wäre.
Das alles hindert die Bundesregierung nicht, weiterhin Programme auf der alten Basis der zu machen und es hindert die CDU/CSU- Opposition nicht, der Bundesregierung die Nichterfüllung ihrer Programme vorzuwerfen. Hierbei muss doch einmal erkannt werden, dass die Berechnungsmethoden völlig unsinnig sind.
Unter dem Zwang der tatsächlichen Entwicklung hat die Bundesregierung ihr Programm bereits dreimal nach unten revidiert.
Von 610 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten für 1985 ist sie inzwischen
auf 482 Millionen Tonnen zurückgegangen. Aber auch diese Zahl ist eine reine Illusion.
Inzwischen liegen viel gründlichere Berechnungen vor, so die des „Institutes für angewandte Systemanalyse und Prognose“ in Hannover unter Leitung von Professor Eduard Christian Kurt Pestel dem jetzigen niedersächsischen Wissenschaftsminister (CDU). Dort hat man sich endlich einmal die Mühe gemacht, die einzelnen Sparten der Wirtschaft auf den Energieverbrauch hin zu durchleuchten. Es stellte sich heraus, dass zwischen 1950 und 1974 von 19 Sparten der Wirtschaft nur 3 einen spezifisch (d.h. Auf die Produktionseinheit bezogenen) steigenden Energieeinsatz hatten, nämlich die Landwirtschaft mit dem Faktor 2,63, das Baugewerbe mit dem Faktor 2,20 und Wohnungen mit dem Faktor 4.67. Gerade in diesen Branchen sind aber keine wesentlichen Steigerungen mehr zu erwarten. In 14 Branchen lag der spezifische Energieverbrauch im Vergleich zwischen 1950 und 1974 weit unter dem Faktor 1.
Das Institut von Professor Pestel, dessen Untersuchungen ich hier nur im Ergebnis vortragen kann – sie erscheint demnächst - , kommt zu dem Ergebnis, dass 1985 der Energiebedarf der Bundesrepublik Deutschland bei 437 Millionen Tonnen liegen wird, also bereits 45 Millionen Tonnen oder rund 10% weniger, als jetzt die Bundesregierung in ihrem jetzigen Programm noch prognostiziert.
Darüber hinaus erklären diese Wissenschaftler, dass ihre Zahl eher noch zu hoch liege, weil sie dabei die Sättigung, besonders der privaten Haushalte, die an Zahl nicht mehr zunehmen, die technischen Einsparungen beim Energieeinsatz und die Sparwirkungen steigender Energiepreise zahlenmäßig nicht erfassen können.
Ich will mich heute nicht mit dem Sinn oder Unsinn des wirtschaftlichen Wachstums auseinandersetzen. Es muss hier aber gesagt werden, dass die Phrase, wirtschaftliches Wachstum sei mit Energiewachstum gekoppelt, unhaltbar ist. Dies haben mit wissenschaftlicher Gründlichkeit nun auch Werner Müller und Bernd Stoy in ihrem Buch „Entkoppelung“ nachgewiesen. Dieses wurde gerade in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom heutigen Tage besprochen. Da diese beiden Herren angestellte des Rheinisch- Westfälischen Elektrizitätswerks (RWE) sind, werden sich auch meine sehr verehrten Gegner mit ihnen beschäftigen müssen.
Diese Analytiker stellen schlicht fest, dass sich die Energieziffer in zehn Jahren halbieren werde, dass also 1% Wirtschaftswachstum nur noch 0,35% Energiewachstum erfordern und dieser Wert später in Richtung Null tendieren werde.
Die Diskussion der letzten Jahre ging ausschließlich um die Nachteile eines eventuellen Energiemangels. Es wird Zeit, endlich auch einmal die Nachteile eines Energieüberflusses auf Grund von falschen Prognosen darzustellen.
Müller und Stoy sagen dazu wörtlich:
„Die Bilanz einer Energiepolitik, die sich nur daran ausrichtet, das Wirtschaftswachstum nicht durch Energiemangel zu gefährden, hat zwei Seiten – selbst dann, wenn sie in dieser Hinsicht erfolgreich ist: Anscheinend ausreichende Energieversorgung auf der Haben- Seite, auf der Soll- Seite aber wachsende Importe, wachsende Energieverluste, Missachtung der Begrenztheit natürlicher Ressourcen.“
Sie sagen weiter:
„Der stete Hang zum Energieüberangebot verträgt sich nur schlecht mit der Notwendigkeit zum rationellen, sparsamen Umgang mit der Energie. Ja denken wir nur 10 Jahre zurück, die langfristig umungängliche rationelle Energieverwendung wurde gar nicht erst erkannt. Anstatt zukunftsorientiert Energie durch Kapital zu ersetzen, ist in vielen Bereichen der Volkswirtschaft das genaue Gegenteil passiert: Kapital ist durch Energie ersetzt worden. Hauptsache war, ein Produkt – sei es eine Produktionsanlage, sei es eine Wohnung, sei es eine Tiefkühltruhe – konnte im Preis billig gehalten werden, der Energieverbrauch interessierte nicht.“
Eine Energiepolitik, die sich an den höchstmöglichen Wunschvorstellungen eines künftig ausdenkbaren Bedarfes orientiert, ist nicht nur unzeitgemäß, sie kann auch zu gigantischen Fehlinvestitionen führen.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ FAZ schreib gestern, dass der Auslastungsgrad der deutschen Kernkraftwerke im Jahre 1977 bei 54% gelegen habe. Sie stehen sicherlich oft aus technischen Gründen still. Aber selbst die Befürworter werden nicht zugeben wollen, dass dafür nur technische Gründe maßgebend waren. Sie haben zum Teil auch stillgestanden, weil die Energie nicht gebraucht wurde. Diese Gefahr hat übrigens die Elektrizitätsversorgungsindustrie bereits erkannt. Sie redet zwar noch nicht darüber, aber sie handelt danach: Sie hat seit längerer zeit überhaupt kein neues Kraftwerk mehr beantragt.
„Die Zeit“ schreibt heute:
Ein Baustopp zur rechten Zeit
RWE könnte den Strom aus Voerde heute gar nicht brauchen
Es heißt wörtlich: Hätte man vor drei Jahren gebaut, dann
„...hätte man heute zwar ein betriebsbereites Kraftwerk, keinesfalls jedoch – und da wird die Sache pikant – den Absatz für den dort zu erzeugenden Strom. Das RWE, dass sich vertraglich zur Abnahme der Voerde- Produktion verpflichtet hat, müsste andere Kraftwerke drosseln und hätte somit erhebliche Mehrkosten.“
Nebenbei sind die Elektrizitätsversorgungsunternehmen natürlich bestrebt, die Schuld dafür den bösen Bürgerinitiativen zuzuschieben. Da werden dann Milchmädchenrechnungen aufgemacht, nach denen die Bürgerinitiativen einen Investitionsstau von über 40 Milliarden Deutsche Mark (DM) verursachten. In der vorigen Woche gab dann das Bundeswirtschaftsministerium bekannt, es seien nur 22 Milliarden DM. Auch diese Zahl, Herr Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP), ist ein Machwerk. Es bleiben in der Hauptsache die durch Gerichtsurteile gestoppten Kernkraftwerke. Dazu kann aber nur die Frage gestellt werden: Sind wir noch ein Rechtsstaat oder sind wir es nicht?
Der Herr Wirtschaftsminister sollte lieber einmal errechnen lassen, wie viele Arbeitsplätze durch Umweltschutzmaßnahmen geschaffen werden könnten, die er aber im trauten Verein der Wirtschaftslobby verhindert – wie übrigens der Bundeskanzler Helmut Schmidt selbst auch. Dafür werden wir heute noch mit dem Verkehrslärmschutzgesetz ein drastisches Beispiel bekommen.
Die Bürgerinitiativen setzen sich unter großen Opfern für die Zukunftsbelange ein. Sie dienen gewissen Kreisen als willkommener Prügelknabe, den man sogar für eine gescheiterte Wirtschaftspolitik verantwortlich machen will. Einige Finanzämter entziehen ihnen die Berechtigung zur Bescheinigung gemeinnütziger Spenden, was ein großer Skandal ist, weil die neuerdings auftauchenden Atom- Befürworter- Initiativen diese unversteuerten Spenden Kassieren dürfen. Dabei haben die doch schon dutzende von Millionen von Seiten der Unternehmen für ihre Propaganda zur Verfügung – und Bund und Länder fügten dem in den letzten Jahren auch noch einige Millionen aus Steuergeldern zu.
Darum fand ich es sehr unpassend, Herr Bundesforschungsminister Volker Hauff (SPD), dass Sie heute morgen in ihrer Ansprache die Bürgerinitiativen aufforderten, sie sollten doch einmal Werbung für Sparmaßnahmen machen. Diese Menschen, die aus ihren privaten Taschen die Groschen zusammen sammeln sollen mit einer Propaganda für Sparmaßnahmen antreten, während auf der anderen Seite die Elektrizitätsversorgungsindustrie nach wie vor Millionen für ihre Anzeigen ausgibt, in denen zum Energieverbrauch animiert wird. Das ist doch eine Zumutung, Sie sollten sich dies besser überlegen.
Statt die Gelder in dieser Weise zu verschwenden und auch die Atomprogramme zu finanzieren, sollten die öffentlichen Mittel besser für die Einsparung von Energie und die Förderung zukunftsträchtiger Energie eingesetzt werden. In dieser Hinsicht geschieht jetzt auch einiges, aber im Verhältnis wenig.
Müller und Stoy stellen in ihrer genannten Arbeit dar, dass allein für die Wärmepumpe zur Beheizung deutscher Wohnungen ein Markt von rund gerechnet 260 Milliarde DM zur Verfügung steht. Damit würden bedeutend mehr und sinnvollere Arbeitsplätze geschaffen, als mit dem Bau von 50 Kernkraftwerken.
Wenn man die Energieversorgung in der Zukunft sicherstellen will, dann darf man heute nicht nur daran denken, wie man zusätzlich zu Erdöl und Erdgas jetzt möglichst schnell auch das wenige Uran verbraucht. Man muss darüber Programme machen, mit welchen Brennstoff denn die Kraftfahrzeuge nach den Jahren 1990 oder 2000 angetrieben werden sollen, wenn das Erdöl zu Ende geht. Mit Uran ganz gewiss nicht.
Die enormen zusätzlichen Steigerungen der Energieverschwendung verlegt das Programm kurzerhand auf die Kernenergie: Im Jahr 2000 sollen rund 70 Großatomkraftwerke laufen. Die Realität sieht hingegen so aus, dass nicht einmal die Uranversorgung der gegenwärtig in Betrieb befindlichen Werke gesichert ist. Die internationale Lage und das neue Gesetz schaffen harte Fakten, die auch durch die neuerlichen Großmachtallüren der Bundesrepublik Deutschland nicht aus der Welt geschafft werden können. Diese Zukunftsaspekte werden von der deutschen Politik leider in verhängnisvoller weise vernachlässigt.
Darum geht auch das Energieprogramm sowohl von der Nachfrageseite als auch von der internationalen Angebotsseite für Primärbrennstoffe – und dazu gehört Uran – von nicht vorhandenen Voraussetzungen aus. Die Bundesregierung wäre am Besten beraten, wenn sie das Energieprogramm nochmals umgehend nach unten berichtigen würde.
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