Eingestellt von Felix Staratschek, Vorsitzender der ÖDP Bergisches Land
Dieser Beitrag enthält nach der auf der Startseite stehenden Zusammenfassung eine von mir abgehörte Mitschrift des eingebetteten Videos. Angesichts dessen, das ähnliche Folgen mittel- bis langfristig auch für Deutschland möglich sind - bei der Anhörung zum ESM- Verfahren beim Bundesverfassungsgericht sagte ein Vertreter der Bunderregierung, wir würden noch von Griechenland das Sparen lernen - sollte man nicht die Augen verschließen vor dem, was bereits in Europa passiert.
Unser Politikblog | 25.12.2012
Wir freuen uns, dass Herr Jorge Nuño Mayer, der Generalsekretär von Caritas Europa, dem europäischen Dachverband von 49 nationalen Caritas-Organisationen in Europa, so kurz vor Weihnachten Zeit gefunden hat für das Interview für Unser Politikblog sowie als Aufzeichnung für die Sendung „Macht und Menschenrechte“ auf Radio Jungle Drum.
Volker Reusing:
Sie, bzw. Caritas Spanien haben eine Presseerklärung veröffentlicht, dass 11 Millionen Menschen in Spanien von Armut gefährdet sind. Bezieht sich das auf die absolute Armutsgrenze, da ist ein Betrag von 7800 bis 8000 Euro genannt als absolute Armutsgrenze?
JNM:
Caritas Europa ist das Netzwerk von 49 Caritas- Organisation, von Aserbatschan bis Island, von Norwegen bis Griechenland. Wir machen zur Zeit eine Studie, die Ende Januar, Anfang Februar 2013 veröffentlicht wird, wie die Krise die Armut größer macht und verstärkt. Das gilt besonders in den Ländern, die mehr von dieser Krise und den Sparmaßnahmen betroffen sind, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Irland. Der Fall Spaniens, der ist besonders bemerkenswert, weil Spanien noch Anfang 2008 unter 8% Arbeitslosigkeit hatte. Mittlerweile ist Spanien mit über 25% Arbeitslosigkeit und über 52% Jugendarbeitslosigkeit und über 10% Langzeitarbeitslosigkeit in einer extrem kritischen Situation. Wir müssen auch bedenken, dass ungefähr 700.00 Familien überhaupt kein Einkommen haben. Und diese Menschen, die überhaupt kein Einkommen haben sogar keine Sozialhilfe bekommen, die klopfen zur Zeit an bei der Caritas, bei den Pfarreien an und müssen sich dort beschämend an die Schlange anstellen, um Nahrungsmittel zu bekommen. Und das ist natürlich sehr gravierend. Wir haben Situationen von Kinderunterernährung in Spanien. Und Spanien ist ein Land das bis vor kurzem noch als Reich gegolten hat, und plötzlich finden wir solche Situationen wieder.
Volker Reusing:
2010 gab es einen Fluglotsenstreik, zu der Zeit, wurde ein Ausnahmezustand ausgerufen, dass die Armee diese Streiks behindern sollte.das interessante war, zur gleichen Zeit wollte man das Geld für Langzeitarbeitslose streichen. Von einem Vertreter vo´n Democarcia Realia, so ähnlich wie Occupy, nur eben in Spanien, habe ich gehört, dass der Ausnahmezustand Gott sei Dank Anfang 2012 wieder aufgehoben wurde. Aber was ist aus aus dem Geld für die Langzeitarbeitslosen geworden?
JNM:
Leider ist dieses Geld gestrichen worden. Da kann man sich überlegen, warum plötzlich so ein Ausnahmezustand ausgerufen wird und warum die Medien sich mit dem Streik von den Fluglotsen mehr beschäftigen, als mit den arbeitslosen Menschen. Es ist natürlich ein Streik, der viele Urlauber betrifft, das ist schlimm, das ist schade, aber einen Langzeitarbeitslosen das Geld zu streichen, was hunderttausende von Menschen betrifft, das hat sich in den Medien nicht wiedergespiegelt. Und da kann man sich bei den Medien überlegen, ob nicht was dahinter steht? Aber tatsächlich ist dieses Arbeitslosengeld für Langzeitarbeitslose gestrichen worden, das verstärkt ja nur die Situation der Armut. Spanien muss leider diese Sparmaßnahmen einführen, leider werden diese Sparmaßnahmen unser erachtens nicht mit den adäquaten Prioritäten eingeführt, das heißt, die Sparmaßnahmen treffen hauptsächlich die ärmsten schichten in der Bevölkerung, eine Mittelschicht, die immer ärmer wird, die immer mehr einer Unsicherheit ausgesetzt wird, die diese Schicht vor über 3 Jahren überhaupt nicht kannte.
Volker Reusing:
Gibt es Schätzungen, wieviele Menschen in Spanien hungern? Viele werden ja aufgefangen durch die Caritas und das Rote Kreuz.
JNM:
Ja, viele werden aufgefangen durch die Caritas, durch das rote Kreuz. Ein Hungern, wie wir das in der Sahelzone vorfinden, das gibt es Gott sei Dank nicht, da muss man doch unterscheiden. Aber wir finden doch Situationen, wo Kinder am Morgen in der Schule von Schulbank fallen, weil sie nicht gefrühstückt haben, aber auch am Vortag nicht genug gegessen haben. Die klappen dann einfach zusammen. Die Caritas versucht dies aufzufangen, aber die Caritas kann auch nur begrenzt helfen. Wir finden, dass in Situationen wieder. Stellen sie sich vor, dass ein älterer Mensch eine Maximalrente 600 Euro bekommt. Sehr oft ist diese einzelne Rente dann von der Oma dafür zuständig, 3 Generationen zu ernähren. Wenn die Kinder der Oma dann keine Arbeit haben, muss die Oma ihre eigenen Kosten decken und eine Großfamilie von drei Generationen ernähren. leider sind das nicht Einzelfälle, das häuft sich mehr und mehr. Und als Caritas wollen wir auch immer den Staat daran erinnern, dass er eigentlich die Verantwortung hat und nicht die Caritas und die Kirche die Aufgabe haben, die Menschen zu ernähren. Das ist die Aufgabe des Staates, sich um die Menschen zu kümmern und eine adäquate Gleichheit und adäquate Würde der Menschen abzusichern. Aber leider geht das heutzutage mehr und mehr abhanden.
Volker Reusing:
Das erinnert mich an Magdalena Sepolweder. Die ist unabhängige Expertin vom UNO- Menschenrechtsrat für extreme Armut. Sie hat 2011 Irland besucht und das gleiche gesagt, dass die Hilfsorganisationen nicht dafür da sind, die Grundsicherung zum Lebensunterhalt zu ersetzen, sondern eine Ergänzung, nie aber Ersatz für staatliches handeln sein sollen.
JNM:
Ich meine die Nächstenliebe der Christen, die in Deutschland die Caritas, die Diakonie und andere Organisationen vertreten, die ist natürlich schön und gut. Nächstenliebe ist immer nötig. Aber was von rechten zusteht, das sollte man nicht durch diese Wohlfahrtsverbände ersetzen. Und ich denke, hier ist dem Staat und auch der Europäischen Union (EU) der eigentliche Sinn und Zweck des Staates, nämlich den Menschen zu dienen, abhanden gekommen. Wir sehen, dass die Staaten und die Europäische Union Prioritäten in der Praxis setzen, um ein Finanzsystem zu retten, aber mit einer Akzeptanz der kollateralen Effekte, dass die Armut zunimmt. Für die Caritas sind das keine kollateralen Effekte, für die Caritas sind das direkte Konsequenzen von politischen Entscheidungen. Und da müssen wir immer wieder daran erinnern, die Politik ist dazu da den Menschen zu dienen und den Menschen auch eine Zukunft zu bringen. bei diesen Sparmaßnahmen und diesen politischen Entscheidungen müssen wir denken, das damit eine erhöhte strukturelle Armut geschaffen wird. Es geht nicht nur jetzt das heute Kinder von der Schulbank fallen und es hört sich ja ganz nett an, dass die Oma von ihren 600 Euro drei Generationen ernährt, aber diese Entscheidungen schaffen eine langfristige Armut. Denn wenn im besten Fall in zwei Jahren wieder mehr investiert wird von Seiten des Staates in soziale Sicherung, in Erziehung, in Gesundheit, dann finden wir Menschen, die nicht mehr zurück zu bringen sind in das Arbeitssystem. Wir finden Kinder, die nicht mehr zurück zu bringen sind in die Schule, in das Erziehungssystem. Wir finden eine ganze Generation, die wir als verloren bezeichnen können. Und das wird sehr langwierige Konsequenzen haben.
Volker Reusing:
Jetzt gibt es ja zum Beispiel einen UNO- Sozialpakt, wo es ein Menschenrecht auf Bildung gibt, ein Menschenrecht auf soziale Sicherheit, bei Gesundheit sogar auf ein Höchstmaß, ein recht auf Nahrung, aber die Gläubiger haben ja auch ein Recht auf Eigentum der Gläubiger, die Spanien Geld geliehen haben. Wie kann man da das richtige Maß finden?
JNM:
Meine Frage ist, wofür der Staat zu sorgen hat? Welche Rechte haben einen Vorrang? Leider finden wir sie trotz allem in Irland, in Griechenland, wo die Rechte der Gläubiger über die Rechte der Menschen auf Nahrung, auf Wohnung. Sicher habe sie auch im deutschen Fernsehen oft gesehen, über die Zwangsräumungen in Spanien, die Rechte auf Wohnung, die Rechte auf Gesundheit, es scheinen die Rechte der Gläubiger darüber zu liegen. Und ich meine, wenn jemand in einer Bank investiert, wenn jemand Finanzgeschäfte machen will, dann ist das schön und gut. Nur tragen dann solche Mitbürger dann auch ein Risiko. Und dass es dazu führt, wie im Jahr 2000 Herr Ackermann von der deutschen Bank sagte, dass der Staat dann die Schulden der Banken sozialisieren muss, das finde ich doch ein hartes Stück, weil das bedeutet, dass man den Menschen aus den Steuern, auch aus der sozialen Sicherheit etwas wegnehmen kann, eine Grundsubsistenz wegnehmen kann, um Investoren ihr Geld zurück zu geben. das ist nicht gerecht, das ist einfach nicht gerecht.
Volker Reusing:
Wir haben uns die Auflagen gegenüber Griechenland ziemlich genau angeschaut. Von Irland haben wir uns auch zwei verschiedene Memoranden of Underständing angeschaut. Für Spanien haben wir uns die 2012er Auflagen angeschaut, wo Spanien sich das Geld vom EFSF geliehen hat, um damit Banken zur rekapitalisieren. Und das ist im Wesentliche wieder eine Wiederholung, was Spanien schon im Defizitverfahren an Auflagen schon bekommen hat. Aber diese Auflagen, zumindest die aus dem Defizitverfahren, nicht so hart, wie das, was wir in Irland oder in Griechenland gefunden haben. Da gibt es für uns nur eine Erklärung: Entweder in älteren Jahren, 2010, 2011 müssten die Auflagen härter gewesen sein, oder die Regierung hat von sich aus so viel gekürzt. Haben Sie darüber Informationen, ob das Auflagen sind vielleicht aus dem Defizitverfahren von diesem Stabilitäts- und Wachstumspakt wegen zuviel Defizit oder ob die spanische Regierung das freiwillig macht oder für die Bankenrettung. Warum ist das in Spanien so hart, obwohl wir keine entsprechend harten Auflagen gefunden haben.
JNM:
Die spanische Regierung wollte kein - ich weiß jetzt nicht den deutschen Ausdruck - kein Programmstaat werden, d.h. sie wollte nicht interveniert werden. und damit hat dann die spanische Regierung Entscheidungen getroffen, ganz scharfe Sparmaßnahmen einzuführen, bevor dem Land externe Auflagen aufgedrückt werden. Was man allerdings als ein positives Zeichen sehen muss, ist das bei den Rettungsschirm, der jetzt für Spanien da ist, dass die Verantwortung vom Staat entkoppelt wird von den Verantwortungen für die Banken. Das heißt, das Geld wird direkt an die Banken gegeben, damit die Banken sich rekapitalisieren, aber der Staat muss dieses Risiko nicht tragen was ja im falle von Griechenland und Irland dazu geführt hat, dass viel mehr Menschen unter den Sparmaßnahmen gelitten haben.
Volker Reusing:
das scheint ja eine positive Wende zu sein, wenn das bei künftigen Maßnahmen auch so sein wird.
JNM:
Ja, ich denke schon, wir dürfen auf alle Fälle bei aller gerechtfertigten Kritik die Hoffnung auch nicht verlieren. Und in diesem Sinne arbeiten wir auch bei der Caritas Europa um den europäischen Institutionen eine gewisse Führungsrolle zusprechen, weil die Lösung geht heutzutage nur über Europa. Nur Europa kann uns alle aus der Krise leiten, nur gemeinsame europäische Situationen. und in diesem Sinne ist auch für die Caritas Europa sehr wichtig zu sehen, dass auch bei unseren Mitgliederorganisationen, bei der Caritas in Spanien, bei der Caritas in Griechenland, immer wieder an der Hoffnung der Menschen gearbeitet wird. Das ist für uns fast wichtiger, als unsere politische Arbeit. denn wir finden in Griechenland und Spanien hoffnungslose Gesellschaften wieder, Menschen die alle Hoffnung verloren haben. es ist dramatisch. Ich weiß nicht, ob sie oder ihre Hörer Menschen in Griechenland oder Spanien kennen, aber es ist wirklich dramatisch, die die Gesellschaft sich dort in wenigen Jahren verändert hat und wie eine Hoffnungslosigkeit sich breit gemacht hat. Und das wird dann doch durch Caritasarbeit, die nicht nur Nahrung verteilt, sondern auch an Beschäftigungsprojekte arbeitet, Selbsthilfegruppen gründet, Schuldnerberatung leistet, Familien hilft eine Wohnung zu finden, ihre Schulden abzubezahlen. Die Caritas versucht Familienkonflikte, die durch das enge Miteinander, wo jetzt die Familien aufeinander angewiesen sind und immer wieder spielt die Caritas dort auch eine Rolle für die Menschen, um ihnen Hoffnung zu bringen. Dass ist jetzt noch mal in der Weihnachtszeit wichtig, dies hervorzuheben. Jenseits unserer anwaltschaftlichen politischen Arbeit zur Verteidigung der Menschen, die heutzutage Armut leiden, gerade auch durch die politischen Entscheidungen, die in den letzten Jahren getroffen worden sind.
Volker Reusing:
Uns wird noch interessieren, ich habe in der TAZ gelesen, dass in Spanien zumindest bei den Steuerfinanzierten Leistungen für die Gesundheit, ich nehme an, was Krankenhausfinanzierung angeht, dass da auch erheblich gekürzt werden soll. Wie ist denn die Lage bei der Gesundheitsversorgung in Spanien?
JNM:
Die Lage bei der Gesundheitsversorgung in Spanien verschlechtert sich leider. Spanien hatte bis vor kurzen eines der besten, wenn nicht das beste Gesundheitssystem in Europa. der Zugang zu Ärzten war füralle abgesichert, weil ein Mensch Mensch ist, hat er Anrecht auf einen Arzt. So hatten z.B. Migranten, die in Spanien waren, aber keine Papiere hatten, ein Anrecht auf ärztliche Versorgung, wenigstens die ärztliche Grundversorgung. das wurde schon vor einigen Monaten gekürzt, sogar mit strengen Auflagen für Ärzte, die dennoch ihrer ärztlichen Pflicht gerecht werden und auch Menschen ohne Papiere helfen. Nur werden jetzt auch mehr und mehr Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen eingeführt. es wird auch in der Gesundheit eine so genannte Privatisierung eingeführt. Das führt dazu, dass manche Krankenhäuser, die jetzt in Privaten Händen sind, aber von der öffentlichen Hand finanziert werden, auf eine gewisse Wirtschaftlichkeit schauen, aber nicht im Sinne der Patienten, sondern im Sinne der eigenen Finanzen. das ist etwas komplex zu erklären, weil das deutsche System eigentlich auf einem privaten System der Krankenkassen basiert. In Spanien war das System vollständig öffentlich. Eine Veränderung oder Privatisierung dieses Systems führt nicht zu dem Krankenkassenmodell, welches in Deutschland ist, sondern zu einem anderen Verständnis des ganzen Gesundheitswesens. Das macht es in der Praxis schwieriger für Menschen einen Zugang zum Gesundheitswesen zu finden.
Volker Reusing:
Das bedeutet, die Menschen müssen mehr Eigenanteile leisten und das können sich die ärmeren nicht leisten, um bestimmte Behandlungen zu bekommen?
JNM:
das ist z.T. so. Aber auch gewisse ärztliche Leistungen, die vorher noch in Ortsteilen oder Stadtteilen vorhanden waren, wie Kinderärzte, die werden jetzt verlagert in private Krankenhäuser. Und private Krankenhäuser entscheiden dann oft, wieviel sie investieren wollen oder nicht. Das heißt, die Finanzierung ist dann nicht als ein Anrecht der Menschen, sondern es ist dann eine Verhandlung mit den privaten Gesundheitsinstitutionen.
Volker Reusing:
Wenn unsere Zuhörer den Menschen in Spanien helfen wollen, was können Sie tun, wohin können sie spenden, wo kann man sich politisch solidarisieren, wo gibt es da Kampagnen von Verbänden in Spanien, wo unsere deutschsprachigen Hörer sich solidarisieren können?
JNM:
Ich denke das erste und wichtigste gerade bei deutschen Zuhörern ist, so wie sie das jetzt auch machen, versuchen zu verstehen, was passiert in Spanien, was ist da los? welches sind die Hintergründe? Eine spanische Wirtschaft lässt sich nicht so einfach mit einer deutschen Wirtschaft vergleichen, so dass dann auch Entscheidungen, die für Deutschland richtig und adäquat sind, aber für Spanien verheerende Konsequenzen haben können. Das heißt, erstens würde ich raten mich zu informieren mit einer Offenheit und sich nicht von gewissen Medien verleiten lassen, eine Abwertung der spanischen Gesellschaft pauschal vorzunehmen. Zweitens: Wenn sie den Menschen helfen wollen können sie sich gerne an die Caritas in Spanien wenden. Die Webseite der Caritas in Spanien empfängt gerne Spenden. Und ich will auch hier hervorheben, dass ich Solidaritätsaktionen z.B. in Norwegen haben Solidaritätsaktionen mit Spanien stattgefunden, wo norwegische Familien sich organisiert haben, um spanische Familien, die von Zwangsräumungen betroffen sind, zu helfen durch einen monatlichen Beitrag. Dies wird immer wieder im spanischen Fernsehen als ein Beispiel der europäischen Solidarität gezeigt (Anmerkung: Norwegen gehört nicht zur EU!). und wir Spanier sind auch sehr dankbar gegenüber den Norwegern, vor zwei drei Jahren wusste kein Spanier wo Norwegen liegt, aber durch solche Aktionen sind die Norweger natürlich sehr beliebt. Wenn auch solche Aktionen in Deutschland gegenüber Spanien stattfinden könnten, wäre das natürlich auch sehr interessant. Also jede Initiative ist immer willkommen. und es gibt natürlich Organisationen ihres Vertrauens, sei es Caritas, sei es das Rote Kreuz, seien es andere Einrichtungen, die auch gerne Spenden entgegen nehmen, und Spenden, die genutzt werden, nicht nur den Hunger und die Not heute zu lindern, sondern auch um den Menschen ihre Würde, ihre Dignität und ihre Zukunft zurück zu geben.
Volker Reusing:
Sie haben gerade die norwegische Solidaritätsaktion erwähnt. Ich habe in der Jungen Welt gelesen, dass auf dem Iberoamerikanischen Gipfel von ganz hoher Stelle von südamerikanischen Regierungschefs auch sogar Solidarität für Spanien gekommen ist. soweit ich mich entsinne hat der Präsident von Equardor gesagt, dass da etwas nicht stimmt, wenn in Spanien 100.000de Wohnungen ohne Menschen sind hunderttausende Menschen ohne Wohnung. Bekommen Sie in der praktischen Arbeit diese Solidarität auch von den lateinamerikanischen Staaten mit, und von den Menschen dort?
JNM:
Auf alle Fälle. Für Lateinamerikaner muss man sagen, obwohl die Geschichte der amerikanischen Kolonialisierung natürlich wiegt, aber es wiegt im Herzen der Lateinamerikaner auch was oft das Mutterland/ Vaterland genannt wird. Und es besteht doch eine emotionale Verbundenheit von den Lateinamerikanern gegenüber den Spaniern. Genau wie es gegenseitig auch so ist, so dass auch Solidarität der Lateinamerikaner gegenüber Spanien stattfindet. Die Solidarität findet hauptsächlich darin statt, dass immer wieder Lateinamerikaner sagen, hört mal, bei uns, wir hatten auch eine große Krise, z.B. in Argentinien. Die war möglicherweise viel schlimmer, als in Spanien heute. Aber lasst die Hoffnung nicht fallen, rappelt euch zusammen. Heutzutage hat Spanien eine sehr qualifizierte Jugend, die leider auswandert. das nennen wir einen Braindrain. Das heißt, die Qualifizierten Kräfte gehen weg, gehen nach Deutschland, gehen in andere europäische Länder, aber auch nach Lateinamerika. also es gibt hier schon eine Solidarität von lateinamerikanischer Seite, die wieder zeigt, dass der Unterschied Nord-Süd ein falscher Unterschied ist. Menschen wollen Menschen helfen. Und diese Solidarität ist da im Süden. Und ich denke, wir müssen vom Süden viel lernen.
Dieser Beitrag enthält nach der auf der Startseite stehenden Zusammenfassung eine von mir abgehörte Mitschrift des eingebetteten Videos. Angesichts dessen, das ähnliche Folgen mittel- bis langfristig auch für Deutschland möglich sind - bei der Anhörung zum ESM- Verfahren beim Bundesverfassungsgericht sagte ein Vertreter der Bunderregierung, wir würden noch von Griechenland das Sparen lernen - sollte man nicht die Augen verschließen vor dem, was bereits in Europa passiert.
Unser Politikblog | 25.12.2012
Wir freuen uns, dass Herr Jorge Nuño Mayer, der Generalsekretär von Caritas Europa, dem europäischen Dachverband von 49 nationalen Caritas-Organisationen in Europa, so kurz vor Weihnachten Zeit gefunden hat für das Interview für Unser Politikblog sowie als Aufzeichnung für die Sendung „Macht und Menschenrechte“ auf Radio Jungle Drum.
Anlass des Interviews ist eine Studie von Caritas Spanien über die verheerende Armut und die humanitäre Lage in dem Land.
Anders als in Griechenland und Irland konnten wir das Ausmaß des Sozialabbaus und des Hungers in Spanien bisher noch nicht an konkreten Auflagen der Troika oder aus dem Defizitverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspaktes festmachen.
Hunderttausende Menschen sind in Spanien von Lebensmittelhilfen abhängig. Kinder fallen wie in Griechenland im Unterricht vor Hunger um. Langzeitarbeitslose erhalten gar keine Leistungen zum Lebensunterhalt mehr.
Die Unteilbarkeit der Menschenrechte wird missachtet, als ob das Eigentum der Gläubiger höher stünde als die sozialen Menschenrechte auf Nahrung, Gesundheit und Wohnung.
Caritas Spanien informiert gerne, wie man helfen kann, die Not zu lindern.
taz-Artikel „Spanien spart sich seinen Sozialstaat“ vom 25.10.2012
taz-Artikel „Spanien abgewertet“vom 12.10.2012
taz-Artikel „Spanien abgewertet“vom 12.10.2012
Ursprünglich von UNSER-POLITIKBLOG von Sarah und Volker am 12/25/2012 04:02:00 nachm. unter Unser Politikblog eingestellt
JNM:
Ich danke Ihnen, Herr Reusing für dieses Interview. es ist immer wichtig mit allen Menschen zu kommunizieren, zu erklären was Caritas Arbeit ist. Es geht uns nicht um unsere Arbeit, es geht uns um die Menschen, die heutzutage leiden, von Armut betroffen sind. Vielen Dank, dass Sie ihren Politikblog zur Verfügung stellen, unsere Botschaft den Menschen auch in ihrer Umgebung weiter zu geben. (Textfortsetzung unter dem Video)
JNM:
Ich danke Ihnen, Herr Reusing für dieses Interview. es ist immer wichtig mit allen Menschen zu kommunizieren, zu erklären was Caritas Arbeit ist. Es geht uns nicht um unsere Arbeit, es geht uns um die Menschen, die heutzutage leiden, von Armut betroffen sind. Vielen Dank, dass Sie ihren Politikblog zur Verfügung stellen, unsere Botschaft den Menschen auch in ihrer Umgebung weiter zu geben. (Textfortsetzung unter dem Video)
Volker Reusing:
Sie, bzw. Caritas Spanien haben eine Presseerklärung veröffentlicht, dass 11 Millionen Menschen in Spanien von Armut gefährdet sind. Bezieht sich das auf die absolute Armutsgrenze, da ist ein Betrag von 7800 bis 8000 Euro genannt als absolute Armutsgrenze?
JNM:
Caritas Europa ist das Netzwerk von 49 Caritas- Organisation, von Aserbatschan bis Island, von Norwegen bis Griechenland. Wir machen zur Zeit eine Studie, die Ende Januar, Anfang Februar 2013 veröffentlicht wird, wie die Krise die Armut größer macht und verstärkt. Das gilt besonders in den Ländern, die mehr von dieser Krise und den Sparmaßnahmen betroffen sind, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Irland. Der Fall Spaniens, der ist besonders bemerkenswert, weil Spanien noch Anfang 2008 unter 8% Arbeitslosigkeit hatte. Mittlerweile ist Spanien mit über 25% Arbeitslosigkeit und über 52% Jugendarbeitslosigkeit und über 10% Langzeitarbeitslosigkeit in einer extrem kritischen Situation. Wir müssen auch bedenken, dass ungefähr 700.00 Familien überhaupt kein Einkommen haben. Und diese Menschen, die überhaupt kein Einkommen haben sogar keine Sozialhilfe bekommen, die klopfen zur Zeit an bei der Caritas, bei den Pfarreien an und müssen sich dort beschämend an die Schlange anstellen, um Nahrungsmittel zu bekommen. Und das ist natürlich sehr gravierend. Wir haben Situationen von Kinderunterernährung in Spanien. Und Spanien ist ein Land das bis vor kurzem noch als Reich gegolten hat, und plötzlich finden wir solche Situationen wieder.
Volker Reusing:
2010 gab es einen Fluglotsenstreik, zu der Zeit, wurde ein Ausnahmezustand ausgerufen, dass die Armee diese Streiks behindern sollte.das interessante war, zur gleichen Zeit wollte man das Geld für Langzeitarbeitslose streichen. Von einem Vertreter vo´n Democarcia Realia, so ähnlich wie Occupy, nur eben in Spanien, habe ich gehört, dass der Ausnahmezustand Gott sei Dank Anfang 2012 wieder aufgehoben wurde. Aber was ist aus aus dem Geld für die Langzeitarbeitslosen geworden?
JNM:
Leider ist dieses Geld gestrichen worden. Da kann man sich überlegen, warum plötzlich so ein Ausnahmezustand ausgerufen wird und warum die Medien sich mit dem Streik von den Fluglotsen mehr beschäftigen, als mit den arbeitslosen Menschen. Es ist natürlich ein Streik, der viele Urlauber betrifft, das ist schlimm, das ist schade, aber einen Langzeitarbeitslosen das Geld zu streichen, was hunderttausende von Menschen betrifft, das hat sich in den Medien nicht wiedergespiegelt. Und da kann man sich bei den Medien überlegen, ob nicht was dahinter steht? Aber tatsächlich ist dieses Arbeitslosengeld für Langzeitarbeitslose gestrichen worden, das verstärkt ja nur die Situation der Armut. Spanien muss leider diese Sparmaßnahmen einführen, leider werden diese Sparmaßnahmen unser erachtens nicht mit den adäquaten Prioritäten eingeführt, das heißt, die Sparmaßnahmen treffen hauptsächlich die ärmsten schichten in der Bevölkerung, eine Mittelschicht, die immer ärmer wird, die immer mehr einer Unsicherheit ausgesetzt wird, die diese Schicht vor über 3 Jahren überhaupt nicht kannte.
Volker Reusing:
Gibt es Schätzungen, wieviele Menschen in Spanien hungern? Viele werden ja aufgefangen durch die Caritas und das Rote Kreuz.
JNM:
Ja, viele werden aufgefangen durch die Caritas, durch das rote Kreuz. Ein Hungern, wie wir das in der Sahelzone vorfinden, das gibt es Gott sei Dank nicht, da muss man doch unterscheiden. Aber wir finden doch Situationen, wo Kinder am Morgen in der Schule von Schulbank fallen, weil sie nicht gefrühstückt haben, aber auch am Vortag nicht genug gegessen haben. Die klappen dann einfach zusammen. Die Caritas versucht dies aufzufangen, aber die Caritas kann auch nur begrenzt helfen. Wir finden, dass in Situationen wieder. Stellen sie sich vor, dass ein älterer Mensch eine Maximalrente 600 Euro bekommt. Sehr oft ist diese einzelne Rente dann von der Oma dafür zuständig, 3 Generationen zu ernähren. Wenn die Kinder der Oma dann keine Arbeit haben, muss die Oma ihre eigenen Kosten decken und eine Großfamilie von drei Generationen ernähren. leider sind das nicht Einzelfälle, das häuft sich mehr und mehr. Und als Caritas wollen wir auch immer den Staat daran erinnern, dass er eigentlich die Verantwortung hat und nicht die Caritas und die Kirche die Aufgabe haben, die Menschen zu ernähren. Das ist die Aufgabe des Staates, sich um die Menschen zu kümmern und eine adäquate Gleichheit und adäquate Würde der Menschen abzusichern. Aber leider geht das heutzutage mehr und mehr abhanden.
Volker Reusing:
Das erinnert mich an Magdalena Sepolweder. Die ist unabhängige Expertin vom UNO- Menschenrechtsrat für extreme Armut. Sie hat 2011 Irland besucht und das gleiche gesagt, dass die Hilfsorganisationen nicht dafür da sind, die Grundsicherung zum Lebensunterhalt zu ersetzen, sondern eine Ergänzung, nie aber Ersatz für staatliches handeln sein sollen.
JNM:
Ich meine die Nächstenliebe der Christen, die in Deutschland die Caritas, die Diakonie und andere Organisationen vertreten, die ist natürlich schön und gut. Nächstenliebe ist immer nötig. Aber was von rechten zusteht, das sollte man nicht durch diese Wohlfahrtsverbände ersetzen. Und ich denke, hier ist dem Staat und auch der Europäischen Union (EU) der eigentliche Sinn und Zweck des Staates, nämlich den Menschen zu dienen, abhanden gekommen. Wir sehen, dass die Staaten und die Europäische Union Prioritäten in der Praxis setzen, um ein Finanzsystem zu retten, aber mit einer Akzeptanz der kollateralen Effekte, dass die Armut zunimmt. Für die Caritas sind das keine kollateralen Effekte, für die Caritas sind das direkte Konsequenzen von politischen Entscheidungen. Und da müssen wir immer wieder daran erinnern, die Politik ist dazu da den Menschen zu dienen und den Menschen auch eine Zukunft zu bringen. bei diesen Sparmaßnahmen und diesen politischen Entscheidungen müssen wir denken, das damit eine erhöhte strukturelle Armut geschaffen wird. Es geht nicht nur jetzt das heute Kinder von der Schulbank fallen und es hört sich ja ganz nett an, dass die Oma von ihren 600 Euro drei Generationen ernährt, aber diese Entscheidungen schaffen eine langfristige Armut. Denn wenn im besten Fall in zwei Jahren wieder mehr investiert wird von Seiten des Staates in soziale Sicherung, in Erziehung, in Gesundheit, dann finden wir Menschen, die nicht mehr zurück zu bringen sind in das Arbeitssystem. Wir finden Kinder, die nicht mehr zurück zu bringen sind in die Schule, in das Erziehungssystem. Wir finden eine ganze Generation, die wir als verloren bezeichnen können. Und das wird sehr langwierige Konsequenzen haben.
Volker Reusing:
Jetzt gibt es ja zum Beispiel einen UNO- Sozialpakt, wo es ein Menschenrecht auf Bildung gibt, ein Menschenrecht auf soziale Sicherheit, bei Gesundheit sogar auf ein Höchstmaß, ein recht auf Nahrung, aber die Gläubiger haben ja auch ein Recht auf Eigentum der Gläubiger, die Spanien Geld geliehen haben. Wie kann man da das richtige Maß finden?
JNM:
Meine Frage ist, wofür der Staat zu sorgen hat? Welche Rechte haben einen Vorrang? Leider finden wir sie trotz allem in Irland, in Griechenland, wo die Rechte der Gläubiger über die Rechte der Menschen auf Nahrung, auf Wohnung. Sicher habe sie auch im deutschen Fernsehen oft gesehen, über die Zwangsräumungen in Spanien, die Rechte auf Wohnung, die Rechte auf Gesundheit, es scheinen die Rechte der Gläubiger darüber zu liegen. Und ich meine, wenn jemand in einer Bank investiert, wenn jemand Finanzgeschäfte machen will, dann ist das schön und gut. Nur tragen dann solche Mitbürger dann auch ein Risiko. Und dass es dazu führt, wie im Jahr 2000 Herr Ackermann von der deutschen Bank sagte, dass der Staat dann die Schulden der Banken sozialisieren muss, das finde ich doch ein hartes Stück, weil das bedeutet, dass man den Menschen aus den Steuern, auch aus der sozialen Sicherheit etwas wegnehmen kann, eine Grundsubsistenz wegnehmen kann, um Investoren ihr Geld zurück zu geben. das ist nicht gerecht, das ist einfach nicht gerecht.
Volker Reusing:
Wir haben uns die Auflagen gegenüber Griechenland ziemlich genau angeschaut. Von Irland haben wir uns auch zwei verschiedene Memoranden of Underständing angeschaut. Für Spanien haben wir uns die 2012er Auflagen angeschaut, wo Spanien sich das Geld vom EFSF geliehen hat, um damit Banken zur rekapitalisieren. Und das ist im Wesentliche wieder eine Wiederholung, was Spanien schon im Defizitverfahren an Auflagen schon bekommen hat. Aber diese Auflagen, zumindest die aus dem Defizitverfahren, nicht so hart, wie das, was wir in Irland oder in Griechenland gefunden haben. Da gibt es für uns nur eine Erklärung: Entweder in älteren Jahren, 2010, 2011 müssten die Auflagen härter gewesen sein, oder die Regierung hat von sich aus so viel gekürzt. Haben Sie darüber Informationen, ob das Auflagen sind vielleicht aus dem Defizitverfahren von diesem Stabilitäts- und Wachstumspakt wegen zuviel Defizit oder ob die spanische Regierung das freiwillig macht oder für die Bankenrettung. Warum ist das in Spanien so hart, obwohl wir keine entsprechend harten Auflagen gefunden haben.
JNM:
Die spanische Regierung wollte kein - ich weiß jetzt nicht den deutschen Ausdruck - kein Programmstaat werden, d.h. sie wollte nicht interveniert werden. und damit hat dann die spanische Regierung Entscheidungen getroffen, ganz scharfe Sparmaßnahmen einzuführen, bevor dem Land externe Auflagen aufgedrückt werden. Was man allerdings als ein positives Zeichen sehen muss, ist das bei den Rettungsschirm, der jetzt für Spanien da ist, dass die Verantwortung vom Staat entkoppelt wird von den Verantwortungen für die Banken. Das heißt, das Geld wird direkt an die Banken gegeben, damit die Banken sich rekapitalisieren, aber der Staat muss dieses Risiko nicht tragen was ja im falle von Griechenland und Irland dazu geführt hat, dass viel mehr Menschen unter den Sparmaßnahmen gelitten haben.
Volker Reusing:
das scheint ja eine positive Wende zu sein, wenn das bei künftigen Maßnahmen auch so sein wird.
JNM:
Ja, ich denke schon, wir dürfen auf alle Fälle bei aller gerechtfertigten Kritik die Hoffnung auch nicht verlieren. Und in diesem Sinne arbeiten wir auch bei der Caritas Europa um den europäischen Institutionen eine gewisse Führungsrolle zusprechen, weil die Lösung geht heutzutage nur über Europa. Nur Europa kann uns alle aus der Krise leiten, nur gemeinsame europäische Situationen. und in diesem Sinne ist auch für die Caritas Europa sehr wichtig zu sehen, dass auch bei unseren Mitgliederorganisationen, bei der Caritas in Spanien, bei der Caritas in Griechenland, immer wieder an der Hoffnung der Menschen gearbeitet wird. Das ist für uns fast wichtiger, als unsere politische Arbeit. denn wir finden in Griechenland und Spanien hoffnungslose Gesellschaften wieder, Menschen die alle Hoffnung verloren haben. es ist dramatisch. Ich weiß nicht, ob sie oder ihre Hörer Menschen in Griechenland oder Spanien kennen, aber es ist wirklich dramatisch, die die Gesellschaft sich dort in wenigen Jahren verändert hat und wie eine Hoffnungslosigkeit sich breit gemacht hat. Und das wird dann doch durch Caritasarbeit, die nicht nur Nahrung verteilt, sondern auch an Beschäftigungsprojekte arbeitet, Selbsthilfegruppen gründet, Schuldnerberatung leistet, Familien hilft eine Wohnung zu finden, ihre Schulden abzubezahlen. Die Caritas versucht Familienkonflikte, die durch das enge Miteinander, wo jetzt die Familien aufeinander angewiesen sind und immer wieder spielt die Caritas dort auch eine Rolle für die Menschen, um ihnen Hoffnung zu bringen. Dass ist jetzt noch mal in der Weihnachtszeit wichtig, dies hervorzuheben. Jenseits unserer anwaltschaftlichen politischen Arbeit zur Verteidigung der Menschen, die heutzutage Armut leiden, gerade auch durch die politischen Entscheidungen, die in den letzten Jahren getroffen worden sind.
Volker Reusing:
Uns wird noch interessieren, ich habe in der TAZ gelesen, dass in Spanien zumindest bei den Steuerfinanzierten Leistungen für die Gesundheit, ich nehme an, was Krankenhausfinanzierung angeht, dass da auch erheblich gekürzt werden soll. Wie ist denn die Lage bei der Gesundheitsversorgung in Spanien?
JNM:
Die Lage bei der Gesundheitsversorgung in Spanien verschlechtert sich leider. Spanien hatte bis vor kurzen eines der besten, wenn nicht das beste Gesundheitssystem in Europa. der Zugang zu Ärzten war füralle abgesichert, weil ein Mensch Mensch ist, hat er Anrecht auf einen Arzt. So hatten z.B. Migranten, die in Spanien waren, aber keine Papiere hatten, ein Anrecht auf ärztliche Versorgung, wenigstens die ärztliche Grundversorgung. das wurde schon vor einigen Monaten gekürzt, sogar mit strengen Auflagen für Ärzte, die dennoch ihrer ärztlichen Pflicht gerecht werden und auch Menschen ohne Papiere helfen. Nur werden jetzt auch mehr und mehr Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen eingeführt. es wird auch in der Gesundheit eine so genannte Privatisierung eingeführt. Das führt dazu, dass manche Krankenhäuser, die jetzt in Privaten Händen sind, aber von der öffentlichen Hand finanziert werden, auf eine gewisse Wirtschaftlichkeit schauen, aber nicht im Sinne der Patienten, sondern im Sinne der eigenen Finanzen. das ist etwas komplex zu erklären, weil das deutsche System eigentlich auf einem privaten System der Krankenkassen basiert. In Spanien war das System vollständig öffentlich. Eine Veränderung oder Privatisierung dieses Systems führt nicht zu dem Krankenkassenmodell, welches in Deutschland ist, sondern zu einem anderen Verständnis des ganzen Gesundheitswesens. Das macht es in der Praxis schwieriger für Menschen einen Zugang zum Gesundheitswesen zu finden.
Volker Reusing:
Das bedeutet, die Menschen müssen mehr Eigenanteile leisten und das können sich die ärmeren nicht leisten, um bestimmte Behandlungen zu bekommen?
JNM:
das ist z.T. so. Aber auch gewisse ärztliche Leistungen, die vorher noch in Ortsteilen oder Stadtteilen vorhanden waren, wie Kinderärzte, die werden jetzt verlagert in private Krankenhäuser. Und private Krankenhäuser entscheiden dann oft, wieviel sie investieren wollen oder nicht. Das heißt, die Finanzierung ist dann nicht als ein Anrecht der Menschen, sondern es ist dann eine Verhandlung mit den privaten Gesundheitsinstitutionen.
Volker Reusing:
Wenn unsere Zuhörer den Menschen in Spanien helfen wollen, was können Sie tun, wohin können sie spenden, wo kann man sich politisch solidarisieren, wo gibt es da Kampagnen von Verbänden in Spanien, wo unsere deutschsprachigen Hörer sich solidarisieren können?
JNM:
Ich denke das erste und wichtigste gerade bei deutschen Zuhörern ist, so wie sie das jetzt auch machen, versuchen zu verstehen, was passiert in Spanien, was ist da los? welches sind die Hintergründe? Eine spanische Wirtschaft lässt sich nicht so einfach mit einer deutschen Wirtschaft vergleichen, so dass dann auch Entscheidungen, die für Deutschland richtig und adäquat sind, aber für Spanien verheerende Konsequenzen haben können. Das heißt, erstens würde ich raten mich zu informieren mit einer Offenheit und sich nicht von gewissen Medien verleiten lassen, eine Abwertung der spanischen Gesellschaft pauschal vorzunehmen. Zweitens: Wenn sie den Menschen helfen wollen können sie sich gerne an die Caritas in Spanien wenden. Die Webseite der Caritas in Spanien empfängt gerne Spenden. Und ich will auch hier hervorheben, dass ich Solidaritätsaktionen z.B. in Norwegen haben Solidaritätsaktionen mit Spanien stattgefunden, wo norwegische Familien sich organisiert haben, um spanische Familien, die von Zwangsräumungen betroffen sind, zu helfen durch einen monatlichen Beitrag. Dies wird immer wieder im spanischen Fernsehen als ein Beispiel der europäischen Solidarität gezeigt (Anmerkung: Norwegen gehört nicht zur EU!). und wir Spanier sind auch sehr dankbar gegenüber den Norwegern, vor zwei drei Jahren wusste kein Spanier wo Norwegen liegt, aber durch solche Aktionen sind die Norweger natürlich sehr beliebt. Wenn auch solche Aktionen in Deutschland gegenüber Spanien stattfinden könnten, wäre das natürlich auch sehr interessant. Also jede Initiative ist immer willkommen. und es gibt natürlich Organisationen ihres Vertrauens, sei es Caritas, sei es das Rote Kreuz, seien es andere Einrichtungen, die auch gerne Spenden entgegen nehmen, und Spenden, die genutzt werden, nicht nur den Hunger und die Not heute zu lindern, sondern auch um den Menschen ihre Würde, ihre Dignität und ihre Zukunft zurück zu geben.
Volker Reusing:
Sie haben gerade die norwegische Solidaritätsaktion erwähnt. Ich habe in der Jungen Welt gelesen, dass auf dem Iberoamerikanischen Gipfel von ganz hoher Stelle von südamerikanischen Regierungschefs auch sogar Solidarität für Spanien gekommen ist. soweit ich mich entsinne hat der Präsident von Equardor gesagt, dass da etwas nicht stimmt, wenn in Spanien 100.000de Wohnungen ohne Menschen sind hunderttausende Menschen ohne Wohnung. Bekommen Sie in der praktischen Arbeit diese Solidarität auch von den lateinamerikanischen Staaten mit, und von den Menschen dort?
JNM:
Auf alle Fälle. Für Lateinamerikaner muss man sagen, obwohl die Geschichte der amerikanischen Kolonialisierung natürlich wiegt, aber es wiegt im Herzen der Lateinamerikaner auch was oft das Mutterland/ Vaterland genannt wird. Und es besteht doch eine emotionale Verbundenheit von den Lateinamerikanern gegenüber den Spaniern. Genau wie es gegenseitig auch so ist, so dass auch Solidarität der Lateinamerikaner gegenüber Spanien stattfindet. Die Solidarität findet hauptsächlich darin statt, dass immer wieder Lateinamerikaner sagen, hört mal, bei uns, wir hatten auch eine große Krise, z.B. in Argentinien. Die war möglicherweise viel schlimmer, als in Spanien heute. Aber lasst die Hoffnung nicht fallen, rappelt euch zusammen. Heutzutage hat Spanien eine sehr qualifizierte Jugend, die leider auswandert. das nennen wir einen Braindrain. Das heißt, die Qualifizierten Kräfte gehen weg, gehen nach Deutschland, gehen in andere europäische Länder, aber auch nach Lateinamerika. also es gibt hier schon eine Solidarität von lateinamerikanischer Seite, die wieder zeigt, dass der Unterschied Nord-Süd ein falscher Unterschied ist. Menschen wollen Menschen helfen. Und diese Solidarität ist da im Süden. Und ich denke, wir müssen vom Süden viel lernen.
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