Copyleft:Unser Politikblog aus Wuppertal, Bergisches Land, Sarah Luzia Hassel Reusing und Volker Reusing
Am 10.07.2012 fand eine mündliche Verhandlung im Bundesverfassungsgericht statt zu den Anträgen auf einstweilige Anordnung von
Dr. Peter Gauweiler, von
Prof. Dr. Karl-Albrecht Schachtschneider und Kollegen, vom
Verein „Mehr Demokratie“, von Bundestagsabgeordneten der Linkpartei und vom Kaufmann
Johannes Schorr
bzgl. der Zustimmungsgesetze zu ESM, Fiskalpakt und „kleiner Vertragsänderung“ (Art. 136 Abs. 3 AEUV) sowie zum ESMFinG.
Die Verfassungsbeschwerden der Bürgerrechtlerin Sarah Luzia Hassel-Reusing vom 29.05.2010, vom 06.04.2012 und vom 30.06.2012 wurden dabei ausgeblendet, sodass in der mündlichen Verhandlung sowohl deren Befangenheitsantrag vom 06.07.2012 (liegt der Redaktion von Unser Politikblog vor) gegen den Berichterstatter BVR Prof. Dr. Peter Michael Huber, als auch sämtliche Einwendungen und Anträge auf einstweilige Anordnung zum Gesetz zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes und zum StabMechG unter den Tisch fielen.
So wurde in der Verhandlung kein Wort darüber verloren, was man am Gesetz zur Änderung des BSchuWG als einem der beiden Begleitgesetze zum ESM erkannt hätte, dass im ESM doch das Staateninsolvenzverfahren und die Wiener Initiative enthalten sind. Auch die Tatsache, dass die Bundesregierung dem EFSF-Rahmenvertrag rechtswidrig einfach selbst anstelle des Parlaments zugestimmt hat, wurde so versteckt. Der Prüfungsmaßstab wurde auf das grundrechtsgleiche Wahlrecht (Art. 38 GG) verengt, so als hätten im Verhältnis zur EU die Einwohner Deutschlands nur das Recht, zu wählen, aber keine Grundrechte wie die auf Menschenwürde, Leben, Eigentum oder Gleichheit mehr, von den allein von Frau Hassel-Reusing i. V. m. Art. 1 Abs. 2 GG und Art. 38 GG geltend gemachten universellen Menschenrechten auf Gesundheit, Nahrung und Sozialversicherung ganz zu schweigen. Die mündliche Verhandlung vom 10.07.2012 stand ganz im Zeichen der Klagen des Vereins Mehr Demokratie.
Alle am 10.07.2012 geladenen Kläger, bis auf vielleicht Herr Schorr, argumentierten in Richtung einer Volksabstimmung über ein neues Grundgesetz, die meisten möglicherweise ohne sich bewusst zu sein, dass es den Klageanträgen von Mehr Demokratie dabei um ein Grundgesetz geht, welches bei Zustimmung des Volkes ESM und Wirtschaftsregierung dann keine Grenzen mehr setzen würde. Die Verhandlung erweckte, trotz aller kontroverser Argumente, den Eindruck, als stünde das Urteil schon fest, nämlich die Verurteilung Deutschlands, ein neues für ESM und Wirtschaftsregierung aufgebrochenes Grundgesetz zu entwerfen und das Volk dann ohne wirkliche Aufklärung, was ESM und Wirtschaftsregierung alles beinhalten, darüber abstimmen zu lassen. Darüber hinaus sagte Dr. Gregor Gysi als Abgeordneter der Linksfraktion aus, der Bundespräsident habe bereits einen Teil der Gesetze verkündet. Und die Bundestagsabgeordnete Petra Merkel vertrat die Auffassung, der ESM sei bereits zu 80 % in europäisches Recht überführt, ohne dies näher zu erläutern.
Das Gericht interessierte sich während der Verhandlung trotz entsprechenden Sachvortrags von Prof. Dr. Murswiek (dem Anwalt Dr. Gauweilers) in keiner Weise dafür, dass „die Märkte“, vor deren Nervosität sich die Beklagten angeblich so fürchten, eine Metapher sind für bestimmte Großbanken, von denen er Goldman Sachs und Deutsche Bank beispielhaft erwähnte. Auch die Aussage, dass es gar nicht um die Euro-Rettung, sondern um Bankenrettung geht, prallte vollständig ab. Mehrere Kläger vertraten die Auffassung, die Auflagen für die Schuldnerstaaten beim „Euro-Rettungsschirm“ seien zu hart, konnten dies aber anders als die nicht geladene Klägerin auf Dutzenden von Seiten in keiner Weise an Beispielen untermauern. Die Richter wirkten von allem Sozialen eher genervt. Als aber Prof. Dr. Möllers, einer der beiden Anwälte des Bundestags, die Einsparungen in Griechenland als ein Vorbild für Deutschland lobte, war die Luft bis zum Zerreißen gespannt, spürte der 2. Senat einen Moment lang mit voller Wucht sein schlechtes Gewissen angesichts der zunehmenden Opfer von Hunger und medizinischer Unterversorgung in Griechenland.
Am 16.07.2012 schließlich wurde die Katze aus dem Sack gelassen mit der Ankündigung, dass am 12.09.2012 gleich in der Hauptsache entschieden werden soll. Der 2. Senat des Gerichts, dessen Aufgabe es in erster Linie ist, sich schützend vor das Grundgesetz zu stellen, scheint nicht nur ESM und Wirtschaftsregierung mit voller Wucht auf die Einwohner Deutschlands loslassen, sondern vorher auch noch das Grundgesetz, wie von den Mächten, die derzeit den Verein Mehr Demokratie für ihre Zwecke benutzen, gewünscht, ganz im Zeichen der „schrecklichen Schönheit“, dafür aufbrechen lassen zu wollen. Ein in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland präzedenzloser Schaden an der Rechtsordnung wäre die Folge – und das, abgesehen vom befangenen Berichterstatter, der durch sein Interview am 19.09.2011 gegenüber der Süddeutschen Zeitung der eigentliche Stichwortgeber für die revolutionären Klageanträge von Mehr Demokratie gewesen zu sein scheint, möglicherweise allein auf Grund eines gravierenden, atemberaubenden Mangels an Zivilcourage der übrigen Richter, auch wenn diese das vor ihrem eigenen Gewissens vielleicht als vermeintliche Staatsräson zu kaschieren versuchen. Das geht selbst weit über die auf einer Wolke der Verantwortung entschwebenden Richter in Brechts „Der gute Mensch von Szechuan“ hinaus.
Wird die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit noch innerhalb des Systems Grundgesetz gelingen ?
Vielleicht noch vor dem 12.09.2012 ?
Oder wird dies erst Jahre später von den Überlebenden des Sozialabbaus in einem neuen Nürnberg, diesmal europäischen Maßstabs, aufgearbeitet werden müssen
Am 10.07.2012 fand eine mündliche Verhandlung im Bundesverfassungsgericht statt zu den Anträgen auf einstweilige Anordnung von
Dr. Peter Gauweiler, von
Prof. Dr. Karl-Albrecht Schachtschneider und Kollegen, vom
Verein „Mehr Demokratie“, von Bundestagsabgeordneten der Linkpartei und vom Kaufmann
Johannes Schorr
bzgl. der Zustimmungsgesetze zu ESM, Fiskalpakt und „kleiner Vertragsänderung“ (Art. 136 Abs. 3 AEUV) sowie zum ESMFinG.
Die Verfassungsbeschwerden der Bürgerrechtlerin Sarah Luzia Hassel-Reusing vom 29.05.2010, vom 06.04.2012 und vom 30.06.2012 wurden dabei ausgeblendet, sodass in der mündlichen Verhandlung sowohl deren Befangenheitsantrag vom 06.07.2012 (liegt der Redaktion von Unser Politikblog vor) gegen den Berichterstatter BVR Prof. Dr. Peter Michael Huber, als auch sämtliche Einwendungen und Anträge auf einstweilige Anordnung zum Gesetz zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes und zum StabMechG unter den Tisch fielen.
So wurde in der Verhandlung kein Wort darüber verloren, was man am Gesetz zur Änderung des BSchuWG als einem der beiden Begleitgesetze zum ESM erkannt hätte, dass im ESM doch das Staateninsolvenzverfahren und die Wiener Initiative enthalten sind. Auch die Tatsache, dass die Bundesregierung dem EFSF-Rahmenvertrag rechtswidrig einfach selbst anstelle des Parlaments zugestimmt hat, wurde so versteckt. Der Prüfungsmaßstab wurde auf das grundrechtsgleiche Wahlrecht (Art. 38 GG) verengt, so als hätten im Verhältnis zur EU die Einwohner Deutschlands nur das Recht, zu wählen, aber keine Grundrechte wie die auf Menschenwürde, Leben, Eigentum oder Gleichheit mehr, von den allein von Frau Hassel-Reusing i. V. m. Art. 1 Abs. 2 GG und Art. 38 GG geltend gemachten universellen Menschenrechten auf Gesundheit, Nahrung und Sozialversicherung ganz zu schweigen. Die mündliche Verhandlung vom 10.07.2012 stand ganz im Zeichen der Klagen des Vereins Mehr Demokratie.
Alle am 10.07.2012 geladenen Kläger, bis auf vielleicht Herr Schorr, argumentierten in Richtung einer Volksabstimmung über ein neues Grundgesetz, die meisten möglicherweise ohne sich bewusst zu sein, dass es den Klageanträgen von Mehr Demokratie dabei um ein Grundgesetz geht, welches bei Zustimmung des Volkes ESM und Wirtschaftsregierung dann keine Grenzen mehr setzen würde. Die Verhandlung erweckte, trotz aller kontroverser Argumente, den Eindruck, als stünde das Urteil schon fest, nämlich die Verurteilung Deutschlands, ein neues für ESM und Wirtschaftsregierung aufgebrochenes Grundgesetz zu entwerfen und das Volk dann ohne wirkliche Aufklärung, was ESM und Wirtschaftsregierung alles beinhalten, darüber abstimmen zu lassen. Darüber hinaus sagte Dr. Gregor Gysi als Abgeordneter der Linksfraktion aus, der Bundespräsident habe bereits einen Teil der Gesetze verkündet. Und die Bundestagsabgeordnete Petra Merkel vertrat die Auffassung, der ESM sei bereits zu 80 % in europäisches Recht überführt, ohne dies näher zu erläutern.
Das Gericht interessierte sich während der Verhandlung trotz entsprechenden Sachvortrags von Prof. Dr. Murswiek (dem Anwalt Dr. Gauweilers) in keiner Weise dafür, dass „die Märkte“, vor deren Nervosität sich die Beklagten angeblich so fürchten, eine Metapher sind für bestimmte Großbanken, von denen er Goldman Sachs und Deutsche Bank beispielhaft erwähnte. Auch die Aussage, dass es gar nicht um die Euro-Rettung, sondern um Bankenrettung geht, prallte vollständig ab. Mehrere Kläger vertraten die Auffassung, die Auflagen für die Schuldnerstaaten beim „Euro-Rettungsschirm“ seien zu hart, konnten dies aber anders als die nicht geladene Klägerin auf Dutzenden von Seiten in keiner Weise an Beispielen untermauern. Die Richter wirkten von allem Sozialen eher genervt. Als aber Prof. Dr. Möllers, einer der beiden Anwälte des Bundestags, die Einsparungen in Griechenland als ein Vorbild für Deutschland lobte, war die Luft bis zum Zerreißen gespannt, spürte der 2. Senat einen Moment lang mit voller Wucht sein schlechtes Gewissen angesichts der zunehmenden Opfer von Hunger und medizinischer Unterversorgung in Griechenland.
Am 16.07.2012 schließlich wurde die Katze aus dem Sack gelassen mit der Ankündigung, dass am 12.09.2012 gleich in der Hauptsache entschieden werden soll. Der 2. Senat des Gerichts, dessen Aufgabe es in erster Linie ist, sich schützend vor das Grundgesetz zu stellen, scheint nicht nur ESM und Wirtschaftsregierung mit voller Wucht auf die Einwohner Deutschlands loslassen, sondern vorher auch noch das Grundgesetz, wie von den Mächten, die derzeit den Verein Mehr Demokratie für ihre Zwecke benutzen, gewünscht, ganz im Zeichen der „schrecklichen Schönheit“, dafür aufbrechen lassen zu wollen. Ein in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland präzedenzloser Schaden an der Rechtsordnung wäre die Folge – und das, abgesehen vom befangenen Berichterstatter, der durch sein Interview am 19.09.2011 gegenüber der Süddeutschen Zeitung der eigentliche Stichwortgeber für die revolutionären Klageanträge von Mehr Demokratie gewesen zu sein scheint, möglicherweise allein auf Grund eines gravierenden, atemberaubenden Mangels an Zivilcourage der übrigen Richter, auch wenn diese das vor ihrem eigenen Gewissens vielleicht als vermeintliche Staatsräson zu kaschieren versuchen. Das geht selbst weit über die auf einer Wolke der Verantwortung entschwebenden Richter in Brechts „Der gute Mensch von Szechuan“ hinaus.
Wird die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit noch innerhalb des Systems Grundgesetz gelingen ?
Vielleicht noch vor dem 12.09.2012 ?
Oder wird dies erst Jahre später von den Überlebenden des Sozialabbaus in einem neuen Nürnberg, diesmal europäischen Maßstabs, aufgearbeitet werden müssen
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